Planung, Zulassung und Verwirklichung von Infrastrukturvorhaben
Symposium am 5. November 2020
Komplexe Infrastrukturvorhaben wie Verkehrswege, Flughäfen oder Energieleitungen werfen sowohl in den Phasen ihrer Planung und Zulassung als auch in der Phase ihrer Verwirklichung eine Fülle nicht minder komplexer Rechtsfragen auf. Nicht nur sind hier die Entscheidungsbefugnisse verschiedener kommunaler und überörtlicher Planungsträger – die der Raumordnung, der Bauleitplanung und der Fachplanung – aufeinander abzustimmen. Überaus anspruchsvoll sind auch – nicht zuletzt aufgrund vielfältiger unionsrechtlicher Vorgaben – die verfahrensrechtlichen und materiell-rechtlichen Anforderungen an das zentrale Zulassungsinstrument des Infrastrukturrechts, die Planfeststellung. Trotz gewachsener Komplexität drängen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft auf eine Beschleunigung des Infrastrukturausbaus und der ggf. Jahrzehnte dauernden Planungs- und Zulassungsverfahren. Die „Beschleunigungsgesetzgebung“ hat dementsprechend in der Bundesrepublik eine gewisse Tradition, die in den letzten beiden Jahren u.a. mit dem Gesetz zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren im Verkehrsbereich vom 29.11.2018 sowie dem Gesetz zur Beschleunigung des Energieleitungsausbaus vom 13.5.2019 fortgeführt wurde. Weitere Bemühungen um Verfahrensstraffung werden mit dem gegenwärtig im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Gesetz zur Beschleunigung von Investitionen (Investitionsbeschleunigungsgesetz) verfolgt; und ebenfalls einen Beschleunigungseffekt erhofft man sich von dem am 22.3.2020 erlassenen Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz (MgvG), das die Zulassung bestimmter Vorhaben der Verkehrsinfrastruktur durch Parlamentsgesetz anstelle durch Planfeststellung ermöglichen soll. Schließlich sind auch für die Phase der Vorhabenverwirklichung spezifische enteignungsrechtliche Instrumente geschaffen worden, die auf Beschleunigung zielen.
Aus diesem vielfältigen Themenfeld wollte das diesjährige Symposium des Zentralinstituts für Raumplanung (ZIR) repräsentative, grundlegende wie aktuelle, Fragestellungen auswählen und hierdurch Wissenschaft und Praxis miteinander ins Gespräch bringen. Die Veranstaltung fand unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Sabine Schlacke am 5.11.2020 pandemiebedingt als Videokonferenz statt. Rund 120 Teilnehmer aus Verwaltung, Justiz, Anwaltschaft und Wissenschaft belegten ein dennoch reges Interesse an den angesprochenen Themen.
Die Symposien des ZIR werden traditionell durch Berichte über aktuelle Entwicklungen in den Arbeitsbereichen der Bundes- und Landesministerien, die das Institut fördern, eröffnet. Diese Berichte können über den engeren Rahmen des Veranstaltungsthemas hinausgehen, wiesen jedoch in diesem Jahr erhebliche Schnittmengen mit diesem auf.
Aus dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) beleuchtete Dr. Jens Wahlhäuser u.a. die für die Raumordnung relevanten Regelungen des derzeit im Bundestag beratenen Investitionsbeschleunigungsgesetzes.
Für das Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen als oberste Landesplanungsbehörde berichtete Karin Weirich-Brämer u.a. über die Erarbeitung einer neuen Leitentscheidung der Landesregierung zur Braunkohle und über die Novellierung des Landesplanungsrechts.
Den Kreis der spezifisch auf das Tagungsthema ausgerichteten Vorträge eröffnete für die Entscheidungsebene der räumlichen Planung Rechtsanwalt Dr. Markus Deutsch, Bonn, mit einer grundlegenden Analyse zum rechtlichen Zusammenwirken von Raumordnung, Bauleitplanung und Fachplanung.
Das aktuell allgegenwärtige Ziel einer Beschleunigung des Infrastrukturausbaus stellte Prof. Dr. Thomas Groß, Universität Osnabrück, in seinem Vortrag „Beschleunigungsgesetzgebung – Rückblick und Ausblick“ in einen weiteren Zusammenhang.
Unter dem ebenso weit gespannten wie offen formulierten Thema „Rechtliche Anforderungen an die Planfeststellung“ bot Rechtsanwalt Prof. Dr. Alexander Schink, Bonn, einen konzisen Überblick über bedeutsame die Planfeststellung betreffende Entwicklungen in Gesetzgebung und Rechtsprechung der letzten beiden Jahre.
Ein ebenfalls weit gespanntes Themenfeld deckte der Vortrag von Rechtsanwalt Siegfried de Witt, Potsdam, zum Thema „Instrumente zur beschleunigten Verwirklichung von Infrastrukturvorhaben“ ab; denn entsprechende Beschleunigungsinstrumente lassen sich sowohl auf der Ebene der Vorhabenzulassung als auch auf derjenigen der nachfolgenden Vorhabenausführung und der hierfür ggf. notwendigen Enteignung ausmachen.
Die inhaltliche Breite und die grundsätzliche wie praktische Bedeutung des Veranstaltungsthemas sowie der gehaltenen Vorträge spiegelten sich in den von Prof. Dr. Sabine Schlacke, Prof. Dr. Susan Grotefels, Prof. Dr. Hendrik Schoen und Dr. Boas Kümper moderierten Diskussionsrunden wider. Die Referate sowie Zusammenfassungen der anschließenden Diskussionen werden in einem Tagungsband versammelt, der in Kürze in der Schriftenreihe des ZIR, den „Beiträge(n) zum Raumplanungsrecht“, im Berliner Lexxion Verlag erscheinen wird. Im Jahr 2021 wird das ZIR wiederum – hoffentlich wieder in gewohnter Präsenzform – ein Symposium zu aktuellen und grundsätzlichen Fragestellungen des Raumplanungsrechts veranstalten; ferner richtet es in regelmäßigen Abständen, gemeinsam mit dem Institut für Umwelt- und Planungsrecht der Universität Münster, die „Münsteraner Gespräche zum Umwelt- und Planungsrecht“ aus. Aktuelle Informationen sind auf der Internet-Seite des ZIR verfügbar.