RECHT KRITISCH DENKEN

Ringvorlesung im Sommersemester 2025

Die Ringvorlesung „Recht kritisch denken” widmete sich im Sommersemester 2025 feministischen, postkolonialen, materialistische und soziologischen Perspektiven auf die Rechtswissenschaft.

Die Grundlagenveranstaltung richtet sich an Studierende in der Zwischenprüfung, Schwerpunkt Studierende, sowie an die Studierenden der Zweifach-Bachelor-Programme.

Hier geht es zum Insta-Kanal von @rechtkritischdenken.


08.04.25, „Eine kritische Theorie der Wissenschaft des Rechts - Anforderungen und Praxis“ – Prof. Dr. Bettina Rentsch

Ist die Rechtswissenschaft eine Wissenschaft? Eine wissenschaftstheoretische Perspektive legt nahe, das nur unter einigen Voraussetzungen zu bejahen. Umso voraussetzungsvoller ist die Behauptung, es könne eine „kritische Rechtswissenschaftstheorie“ geben. Sie erhärten erfordert zunächst, die wissenschaftstheoretischen Anforderungen an kritische Theoriearbeit zu identifizieren. Aber auch die wissenschaftspolitische Programmatik der kritischen Theorie und die gesellschaftlichen Kontexte der Frankfurter Schule gilt es zu berücksichtigen. Der Identifikation und Entfaltung eben dieser Kontexte und Vorbedingungen wird sich die Veranstaltung widmen. Sie unternimmt ausgehend davon einen Streifzug durch die rechtswissenschaftliche Denklandschaft und fragt exemplarisch nach Ansätzen „kritischer Theoriepraxis“.

Prof. Dr. Bettina Rentsch ist seit 2022 Juniorprofessorin für Bürgerliches Recht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung an der Freien Universität Berlin. Sie studierte Rechtswissenschaften und klassische Philologie (Latinistik) in Würzburg, Freiburg und Genf und machte einen Master of Law an der University of Michigan, Ann Arbor. Während ihres Referendariats absolvierte Sie unter anderem Stationen im Bundesministerium der Justiz und im Kabinett der Generalanwältin beim Gerichtshof der Europäischen Union und arbeitete anschließend als Rechtsanwältin im Berliner Büro der Kanzlei Hengeler Mueller. 


AUSGEFALLEN - 15.04.25, „Inhalt, Form, Utopie – Grundlagen der (neo-)materialistischen Rechtskritik“ – Dr. Daria Bayer

Kritisches Denken im Recht bezieht sich auf die Analyse rechtlicher Normen und deren Auswirkungen, z. B. in Bereichen wie strafrechtlicher Bekämpfung von sexualisierter Gewalt, Umweltschutz oder Asylpolitik. Die materialistische Rechtskritik geht weiter, indem sie diese Probleme in eine strukturelle Analyse der Rechtsform integriert. Sie betrachtet, wie Sprache, Akteure, Verfahren und Institutionen des Rechts eine eigene Wirklichkeit schaffen, die Individuen entfremdet und soziale Ungleichheiten verstärkt. Laut dieser Perspektive stabilisiert das bestehende System das liberale Recht, und Reformen einzelner Normen führen zu einer Perpetuierung des bestehenden Herrschaftssystems. Eine nachhaltige Veränderung kann daher nur durch eine radikale Neukonzeptualisierung der Organisation unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens herbeigeführt werden. In dieser Einheit wollen wir die Grundlagen der materialistischen Rechtskritik im Anschluss an Karl Marx und Jewgenij Paschukanis, sowie neuere Ansätze von Sonja Buckel und Christoph Menke kennenlernen und Alternativen zum bestehenden Recht untersuchen.

Daria Bayer ist Habilitandin am Lehrstuhl für Strafrecht, Rechtsphilosophie/Rechtstheorie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Sie forscht zum materiellen Strafrecht, der Strafprozessordnung und zur materialistischen Rechtskritik unter Einbeziehung interdisziplinärer Perspektiven wie "Recht und Literatur". In ihrer preisgekrönten Dissertation "Tragödie des Rechts", teilweise als Theaterstück verfasst und inszeniert, versucht sie, die Grenzen zwischen Recht und Theater aufzubrechen und neue Zugänge zum Recht zu ermöglichen.


24.04.25, „Prostitution versus Sexarbeit - Feministische Debatten über Autonomie und Ausbeutung“ - Nadja Habibi

Ist Prostitution eine Form selbstbestimmter Erwerbsarbeit – oder Ausdruck patriarchaler Ausbeutung? Die feministische Debatte über (heterosexuelle) „Prostitution“ respektive „Sexarbeit“ ist von starken Gegensätzen geprägt: Während liberale Feminist:innen für eine rechtliche und gesellschaftliche Anerkennung von Sexarbeit als Beruf plädieren, fordern abolitionistische Positionen deren Abschaffung als Form geschlechtsspezifischer Unterdrückung. Während die einen Sexarbeit als legitime Form der Erwerbsarbeit begreifen und die Autonomie von Frauen betont, kritisiert die abolitionistische Position Prostitution als Ausdruck sowie Säule patriarchaler und kapitalistischer Ausbeutungs- und Unterdrückungsverhältnisse. Wie verhandeln diese Strömungen das Spannungsfeld zwischen individueller Freiheit und struktureller Gewalt? Und welche Rolle spielt das Recht dabei?

Nadja Habibi ist ehemalige Stipendiatin der Rosa-Luxemburg-Stiftung und arbeitet seit ihrem Masterabschluss als Sozialarbeiterin in einem Frauenhaus. Zudem ist sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Lehrbeauftragte in Hamburg tätig. Sie hat unter anderem zum Thema Prostitution und Feminismus veröffentlicht, ist aber vor allem auch politische Aktivistin. 


29.04.2025, „Art. 15 GG als Grundrecht auf Entprivatisierung“ - Dr. Tim Wihl

Das Grundgesetz enthält mit dem Artikel 15 einen bisher ungehobenen Schatz. Die Ermächtigung zur Sozialisierung relevanter Teile der Wirtschaftsordnung lässt sich als Grundrecht auf Entprivatisierung deuten, das allerdings nur das Parlament oder der Volksgesetzgeber verwirklichen dürfen. Das ist grundrechtstheoretisch ein interessanter Sonderfall, der sich explizit gegen private Macht richtet. Es ist aber auch politisch-gesellschaftlich von zunehmender Bedeutung, da es den demokratischen und sozialökologischen Umbau der Wirtschaft erleichtern könnte.

Tim Wihl war wissenschaftlicher Mitarbeiter und Vertretungsprofessor im öffentlichen Recht und Grundlagen des Rechts sowie Gastprofessor in politischer Theorie. Derzeit ist Mitarbeiter an der Uni Erfurt. Er hat Bücher zur Grundrechtstheorie ("Aufhebungsrechte") und zum Recht auf politischen Protest ("Wilde Demokratie") veröffentlicht.                             


06.05.25, „Queer im Asylsystem: Ist der Inhalt in ihrem BH echt? - sequentielle Traumatisierung als Begleiterin durch das Asylsystems" - Ilka Quirling

Das europäische Flüchtlingsrecht basiert auf Grundsätzen wie Schutz und Nicht-Diskriminierung. Doch spiegelt das deutsche Asylverfahren diese Prinzipien wider, wenn queere Menschen Schutz suchen? Ilka Quirling beleuchtet die strukturellen Widersprüche zwischen verfassungs- und europarechtlichen Vorgaben und der Realität queerer Menschen im Asylverfahren – von der Ankunft über die Anhörung bis zur Gerichtsverhandlung.

Welche Herausforderungen entstehen durch heteronormative Vorstellungen in der Rechtsprechung? Wie beeinflussen sie die Chancen auf Schutz? Und wie könnte ein Asylverfahren aussehen, das den rechtlichen Grundsätzen tatsächlich gerecht wird? Eine kritische Auseinandersetzung mit den Grenzen und Möglichkeiten des Systems – und ein Plädoyer für eine gerechtere Asylpraxis.

Ilka Quirling ist seit 25 Jahren als Anwältin tätig und hat sich als Fachanwältin für Migrations- und Strafrecht insbesondere auf die Vertretung queerer Menschen spezialisiert, die von Zwangsvertreibung betroffen sind. In ihrer Arbeit setzt sie sich für jene ein, die täglich mit heteronormativen Zuschreibungen sowie einem bürgerlichen Sexual- und Familienverständnis konfrontiert werden. Darüber hinaus vertritt sie queere Menschen im rassistischen und queerfeindlichen Umgang mit Polizei, Migrationsbehörden, dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie Familiengerichten und publiziert regelmäßig zur intersektionalen Wirkweise von Heteronormativität, Klasse und Rassismus im Migrations-, Asyl- und Abstammungsrecht. 2023 gründete sie das Hamburger Projekt Artikel 21, das für ein sicheres Asylverfahren für queere Personen ab dem ersten Tag ihres Verfahrens in Deutschland kämpft. Ihr zentrales Anliegen ist der gemeinsame Widerstand gegen geschlechtliche Vorannahmen und normative Vorstellungen von Sex und Gender – mit dem Ziel, Räume für Selbstbestimmung und Autonomie zu schaffen.


13.05.25, Podiumsdiskussion „Femizide und Strafrecht – Perspektiven aus Kriminologie, Strafrechtspraxis und Völkerstrafrecht"

Über Femizide wird seit einigen Jahren in Deutschland intensiv diskutiert. Kritisiert wird dabei auch der Umgang der Strafgerichte mit geschlechtsspezifische Frauentötungen. Der Gesetzgeber hat kürzlich erst auf diese Kritik reagiert und eine Ergänzung der allgemeinen Strafzumessungsnorm um „geschlechtsspezifische Bewegründe und Ziele des Täters“ veranlasst, doch einigen geht diese Reform nicht weit genug: Sie fordern einen eigenen Femizid-Straftatbestand oder eine grundlegende Reform des Mordtatbestands. Die Podiumsdiskussion soll verschiedene Perspektiven aus dem Völkerstrafrecht, der Kriminologie und der Strafrechtspraxis zusammenbringen und über das Konzept des Femizids, die aktuelle Rechtslage und Rechtsprechungspraxis sowie mögliche Reformvorschläge diskutieren.

Prof. Dr. Leonie Steinl, LL.M. (Columbia) ist Juniorprofessorin für Strafrecht, Internationales Strafrecht und Interdisziplinäre Rechtsforschung sowie Leiterin der DFG-geförderten Emmy-Noether-Nachwuchsforschungsgruppe "Angriffe auf das Anderssein" an der Universität Münster. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Strafrecht und Strafprozessrecht, einschließlich ihrer internationalen und interdisziplinären Bezüge, sowie der Rechtsvergleichung. Schwerpunktmäßig forscht sie dabei zu den Themen Strafrecht und Geschlecht, Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, Hasskriminalität und Hassrede sowie Völkerstrafrecht.

Dr. Jara Streuer studierte Jura in Berlin, Norwich (UK) und Münster. Sie ist seit 2018 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und Internationales Strafrecht (Prof. Dr. Moritz Vormbaum) an der Universität Münster und promovierte zu dem Begriff "Feminizid" und seinen völkerstrafrechtlichen Bezügen. Jara Streuer war Co-Organisatorin der ersten Sommerakademie Feministische Rechtswissenschaft in Münster mit und ist Mitglied der Strafrechtskommission des Deutschen Juristinnenbundes.

Rainer Drees ist seit 1995 Richter im Bezirk des Oberlandesgerichts Düsseldorf. Ab 1998 war er Richter am Landgericht Düsseldorf, von 2003 bis 2006 Richter im Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf. Seit 2006 ist er Vorsitzender Richter am Landgericht Düsseldorf, wo er in der Schwurgerichts- und Jugendkammer tätig ist.

Dr. Julia Habermann studierte Soziologie an der Justus-Liebig-Universität Gießen und der Philipps-Universität Marburg. Ihre Dissertation „Partnerinnentötungen und deren gerichtliche Sanktionierung“ verfasste sie an der Ruhr-Universität Bochum. Derzeit ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Kriminologie der Ruhr-Universität Bochum. Ihre Dissertation wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Deutschen Studienpreis der Körber-Stiftung, dem GdF-Preis für hervorragende interdisziplinäre Dissertationen sowie dem Wilhelm-Hollenberg-Preis.


20.05.25, „Decolonial Feminisms; situating Afro-legal feminism among legal feminisms” - Dorothy Makaza-Goede

In light of the fact that the discourse surrounding coloniality and decoloniality had been framed with less emphasis on the critical dimension of gender, this presentation will highlight the significance of incorporating a gendered lens in such discussions particularly within the field of international law. It underscores the need to recognize the diverse feminist perspectives originating from various continents, with particular emphasis on often-overlooked Afro-legal feminisms. Although black feminism is now well-known, not much is known about Afro-(legal)feminisms in mainstream contexts, as the spotlight is normally on other continents. In an era where the risks of marginalizing other epistemologies are now well known, it could be telling to consider why or how Afro-(legal)feminisms stand on the margins of other feminisms. Moreover, does the relatively limited spotlight mean Afro-(legal)feminism is non-existent and or less powerful? In order to begin the exploration of these and many more questions, it is necessary to conceptualise and shine a limelight on what exactly “Afro-feminism” entails.

Dr. Dorothy Makaza-Goede is a Postdoctoral fellow within the framework of the University of Hamburg's excellence initiative. She is also the founder and director of Global South Transformation Foundation gUG (Haftungsbeschränkt) (GSTF), an independent, non-profit based in Hamburg whose main aim is the research and implementation of various strategies for the promotion of racial equity and addressing structural racism in various fields. Her current research and teaching focuses on critical approaches to international law, with a particular focus on Third World Approaches to International Law (TWAIL) as well as decolonial thought and postcolonial approaches to international law. She has previously worked for non-profit organisations in different jurisdictions and has previously served as a legal consultant for the African Union Commission on International Law.


27.05.2025, „Kolonialrecht und Kolonialunrecht: Rassismuskritische Betrachtung der deutschen Kolonialgeschichte” - Menina Ugwuoke

Das deutsche Kolonialreich bestand formal von 1884 bis 1919 und umfasste Gebiete auf dem afrikanischen Kontinent, im heutigen China und mehrere Inseln im Pazifik. Das Kolonialrecht diente dazu, die Herrschaftsansprüche der Kolonisator*innen zu festigen und zu rechtfertigen. Die Vorlesung wird einen Überblick über das Kolonialrecht, insbesondere das Kolonialstrafrecht, geben und diesesunter Einbeziehung von Erkenntnissen aus der Rassismusforschung, kritisch untersuchen.

Menina Ugwuoke ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin an der Juniorprofessur von Prof. Dr. Leonie Steinl. Sie absolvierte ihr Jura Studium an der Humboldt-Universität zu Berlin. 2018 gründete sie BIJOC* (Black Indigenous Jurastudierende of Color), eine Vernetzungsgruppe für von Rassismus betroffene Jurastudierende in Berlin und Brandenburg und ist seit 2023 Mitglied bei den Afrodeutschen Juristinnen. Ihr Forschungsinteresse gilt insbesondere der interdisziplinären Rechtsforschung, der feministischen Rechtswissenschaft, der Rechtsgeschichte und der Strafrechtskritik.


03.06.2025, „Get your laws off my body - Reproduktive Rechte und Biopolitik“ - Lisa Brünig

Im Februar 2025 ist kurz vor Ende der Legislaturperiode die Teillegalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen in den ersten 12 Wochen gescheitert. Dieser Vortrag stellt am Beispiel der rechtlichen Regulierung von Schwangerschaftsabbrüchen in Deutschland dar, wie staatliche Macht über gebärfähige Körper ausgeübt wird und führt in das Konzept der Biopolitik ein. Dazu werden Schlaglichter auf Abtreibungsdiskurse und aktuelle Debatten um §218 StGB geworfen. Aus einer intersektionalen Perspektive ist zu fragen: Wer soll Kinder bekommen (und wer nicht) und welche Kinder sollen geboren werden (und welche nicht)? In einem Ausblick wird aufgezeigt, wie reproduktive Rechte im Rahmen einer Reproduktiven Gerechtigkeitsperspektive im Kampf um die Selbstbestimmung über den eigenen Körper weitergedacht werden können.

Lisa Brünig, M.A. ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Diversitätsforschung der Georg-August-Universität Göttingen. Darüber hinaus arbeitet sie als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Ethik, Geschichte und Philosophie der Medizin der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und ist die Koordinatorin des Kompetenzzentrums für geschlechtersensible Medizin der MHH. In ihrer Promotion beschäftigt Lisa sich aktuell mit dem Phänomen der sog. „Gehsteigbelästigung“. Lisa ist Mitglied im interdisziplinären Netzwerk prina – Politiken der Reproduktion.


17.06.2025, „Ein dunkles Feld - Polizeiliche Gewalt und ihre strafjustizielle Aufarbeitung" - Hannah Espin Grau

Polizeiliche Gewalt wird zunehmend öffentlich diskutiert, bleibt aber zugleich Normalität. Das verdeutlicht etwa die gleichbleibend niedrige Aufklärungsquote in Strafverfahren gegen Polizeibeamt*innen: Über 90 Prozent der Verfahren gegen Polizeibeamt*innen wegen Gewaltanwendung werden von den Staatsanwaltschaften mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt. Was können Strafverfahren gegen Polizeibeamt*innen eigentlich leisten? In welchem Verhältnis stehen Recht und Polizei(-gewalt)? Und wie lässt sich die Definitionsmacht der Polizei begrenzen?  In der empirischen Studie KviAPol ("Körperverletzung im Amt durch Polizeibeamt*innen") wurden über 3000 Betroffene von übermäßiger polizeilicher Gewalt in Deutschland befragt und 60 Interviews mit Personen aus Polizei, Justiz und Zivilgesellschaft geführt. Im Vortrag werden die Ergebnisse der Studie vorgestellt und am Beispiel polizeilicher Schmerzgriffe diskutiert, welche Rolle das Recht bei der Be- oder Entgrenzung polizeilicher Gewalt spielen kann.

Hannah Espín Grau ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Kriminologie der Goethe-Universität Frankfurt bei Prof. Dr. Tobias Singelnstein und Mitverfasserin der Studie "Gewalt im Amt. Polizeiliche Gewaltanwendung und ihre Aufarbeitung". Sie ist Stipendiatin der Rosa-Luxemburg-Stiftung und promoviert zu Erzählungen von polizeilicher Gewalt in Polizei und Justiz.


AUSGEFALLEN - 24.06.2025, „Verfangenheiten aufschließen. Erörterungen zum Verhältnis von Klassismus, Biografie und juristischer Profession“ - Dr. Anja Böning

Der Einfluss der sozialen Herkunft auf Teilhabe ist in Deutschland noch immer sehr ausgeprägt. Für das Jurastudium als einem traditionsreichen Studium, das noch immer in gesellschaftliche Schlüsselpositionen führt, gilt dies in besonderer Weise. Es ist daher aufschlussreich, die Zusammenhänge von sozialer Herkunft (wie auch anderen Differenzkategorien), Jurastudium und juristischen Karrieren auszuleuchten und vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Machtstrukturen zu reflektieren. Ein solcher habitussensibler Zugang ist mit der Möglichkeit verbunden, biographisch erlebte Konflikte mit gesellschaftlichen Strukturen, die auch die Universität als Bildungsinstitution durchziehen, und die mit ihnen einhergehenden emotionalen Spannungen und psychosozialen Herausforderungen zu adressieren, offenzulegen und reflektierbar zu machen.

Dr. Anja Böning hat Rechtswissenschaften, Erziehungswissenschaft und Soziologie in Marburg und Bochum studiert und promovierte an der FernUniversität in Hagen mit einer Arbeit über das Studienerleben und soziale Ungleichheit in Jura. Sie ist Geschäftsführerin des Instituts für juristische Didaktik In Iure an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der FernUniversität in Hagen und leitet dort den Arbeitsbereich Gender im Recht, der sich mit den Verwobenheiten von Recht und sozialer Differenz beschäftigt. Ihre Forschungsinteressen liegen im Bereich Legal Equality Studies, Ungleichheits- und Bildungsforschung sowie Rechtssoziologie.


01.07.2025, „Ersatzfreiheitsstrafe - Wie die Justiz soziale Ungleichheit reproduziert“ - Dr. Nicole Bögelein

Zehn Prozent der Gefangenen mit Freiheitsstrafen sind wegen einer
nicht bezahlten Geldstrafe inhaftiert. Die gefangenen Menschen weisen
viele verschiedene soziale und gesundheitliche Belastungen auf. Häufig
sind sie arbeitslos, haben psychische Erkrankungen und befinden sich
in mehrfach problembelasteten Lebenslagen – nicht wenige sind
wohnungslos. Die Geldstrafen, deren Tagessätze sich im niedrigen
Bereich bewegen, erhielten die Verurteilten oft wegen Fahrens ohne
Ticket oder eines Ladendiebstahls. Einmal in Haft unterscheidet sich
das Erleben des Gefängnisses in vielen Punkten nicht von dem der
Strafgefangenen.

Dr. Nicole Bögelein ist am Institut für Kriminologie der Universität
zu Köln tätig. Sie studierte Soziologie an der
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg und promovierte 2015 an der
Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Forschungsaufenthalte
führten Sie wiederholt an die Universität Leeds, England. Sie forscht
zu Geld- und Ersatzfreiheitsstrafen, Institutionellem Rassismus,
sozialer Ungleichheit, Radikalisierung und zu Methoden der
qualitativen Sozialforschung.