
4. Münsterisches Vermittlerforum: Versicherungsvertrieb im Zeichen der Digitalisierung
Zum vierten Mal veranstalteten Westfälische Provinzial und Forschungsstelle für Versicherungswesen der Uni Münster gemeinsam das Münsterische Vermittlerforum, auf dem dieses Jahr die Potenziale und Probleme der zunehmenden Digitalisierung des Versicherungsvertriebs im Mittelpunkt standen. Drei Vorträge gaben den Anstoß für intensive Debatten unter den rund 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.
Umbruch tradierter Geschäftsmodelle
Die Digitalisierung mit ihrem umfassenden Veränderungspotenzial macht auch vor der Versicherungswirtschaft keinen Halt. Wohin der Weg für Versicherer und Vermittler führen könnte, stellte Prof. Dr. Fred Wagner, Uni Leipzig, vor. Dabei setzte er bei der veränderten Kundenerwartung gegenüber Dienstleistungen an, bei der inzwischen vor allem der zuverlässige und jederzeit verfügbare Service, die Schnelligkeit sowie die „Convenience“ im Vordergrund stünden. Der Kunde verlange nach unterstützenden, ihn entlastenden Leistungen und habe kein Interesse daran, sich mit komplexen Details auseinanderzusetzen. Man müsse als Dienstleister vom Kunden her denken und diesen als Treiber für neue Geschäftsmodelle begreifen. Versicherungsleistungen könnten sich beispielsweise an kundenfreundliche Serviceleistungen anschließen.
Aufgrund der sich stark verändernden Beziehung zum Kunden sieht Wagner die Versicherungswirtschaft vor einem tiefgreifenden Umbruch ihrer bisherigen Geschäftsmodelle. Die Zukunft liegt für in dem Ansatz, den überall vernetzten Kunden als Ausgangspunkt jedes Leistungsangebots zu nehmen. Im Versicherungsvertrieb führe das zu einer Omnikanal-Strategie, in der die klassische Versicherungsvermittlung nur noch einen Baustein von vielen ausmache. Dementsprechend sei mit einem zahlenmäßigen Rückgang der Versicherungsvertreter und –makler zu rechnen.
BVK vs. Check24
Mit Spannung beobachtet die Branche derzeit die Klage des BVK e.V. gegen Check24. Deren rechtlichen Hintergrund beleuchtete der Hauptgeschäftsführer des BVK, Dr. Wolfgang Eichele, im zweiten Vortrag der Veranstaltung. Eingangs stellte er klar, dass Onlineportale, die als Versicherungsvermittler tätig seien, die gleichen rechtlichen Anforderungen zu erfüllen hätten wie der Offline-Vertrieb. Anschließend ging er im Einzelnen auf die Aspekte ein, in denen der BVK insbesondere bei Check24 Defizite rechtskonformen Verhaltens ausgemacht hatte.
Eichele ging zunächst auf die Statusinformationen nach § 11 Abs. 1 VersVermV ein, die der Versicherungsvermittler dem Versicherungsnehmer beim ersten Geschäftskontakt klar und verständlich in Textform mitzuteilen hat. Nach Ansicht des BVK erfordere dies eine „proaktive Mitteilung“, etwa in Form eines deutlichen Links auf der Homepage oder eines Pop-up-Fensters. Der zweite Problemkreis hatte die rechtmäßige Beratung nach §§ 60, 61 VVG zum Gegenstand. Hier sei es unerlässlich, so Eichele, die Befragung und Beratung des Versicherungsnehmers immer an den erkennbaren Informationen auszurichten. Eine ausschließliche Abfrage nur rudimentärer Informationen könne dem oftmals nicht gerecht werden und führe zu „strukturellen Beratungsfehlern“. Intensiv diskutierte Eichele die Frage, ob man auf Onlinevermittler die Bereichsausnahme für den Direktvertrieb im Fernabsatz nach § 6 Abs. 6 VVG analog anwenden könnte, sodass eine Beratungspflicht entfiele. Er bezweifelte, dass eine solche Analogie mit EU-Recht vereinbar sei, und lehnte sie auch mit Verweis auf die nicht vergleichbare Interessenlage im Ergebnis ab.
Wenig Rechtssicherheit für den Onlinevertrieb in der Zukunft
Dass man bei den Rechtsfragen zum Onlinevertrieb auch zu abweichenden Ergebnissen kommen kann, zeigte Rechtsanwalt Dr. Frank Baumann, Hamm, der in seinem Vortrag den Onlinevertrieb als zweiten Weg für Vermittler unter rechtlichen Gesichtspunkten betrachtete. Ein wesentlicher Punkt war auch für ihn die Privilegierung der Versicherer durch die Bereichsausnahme im Fernabsatz. Indem das Gesetz eine solche Bereichsausnahme für Versicherungsvermittler nicht vorsehe, hätten sie prinzipiell das volle Pflichtenspektrum von der Risikoanalyse über die Beratung bis zur Dokumentation zu leisten. Andererseits ließen sich die gesetzgeberischen Beweggründe für die Privilegierung der Versicherer auch auf Onlinevermittler übertragen. Insbesondere sei Onlineberatung praktisch schwieriger durchzuführen, was dem Versicherungsnehmer, der den Onlineweg wählte, auch bewusst sei. Anders als sein Vorredner sprach sich Baumann daher für eine analoge Anwendung des § 6 Abs. 6 VVG auf Vermittler aus.
Welche Änderungen sich im deutschen Recht aus der Umsetzung der IDD ergeben, lässt sich noch nicht definitiv bestimmen. Baumann sieht allerdings bereits eine Tendenz, dass der deutsche Gesetzgeber die Privilegierung für Versicherer wegfallen lassen wird. Sowohl die Vermittler als auch die Versicherer träfen dann beim Onlinevertrieb gleichlaufende Beratungspflichten. Man müsse dann aus praktischen Gründen darüber nachdenken, den Beratungsanlass anhand bestimmter Fragestellungen einzugrenzen. Zusätzlich seien technische Wege zu entwickeln, auch die unter Umständen bestehende nachvertragliche Betreuungs- bzw. Beratungspflicht zu erfüllen. Hier zeigte Baumann sich skeptisch, ob beispielsweise eine entsprechende App ein probates Mittel sein könnte.
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