Münsteraner Bankrechtstag 2025

Am Freitag, den 16.05.2025, fand der neunte Münsteraner Bankrechtstag unter dem Thema „Aktuelle Entwicklungen im Bank- und Kapitalmarktrecht“ im Alexander von Humboldt Saal der Universität Münster statt. Wie in den Jahren zuvor referierten renommierte Vertreter aus Wissenschaft und Praxis zu aktuellen Entwicklungen des Bankrechts. Den Kern der Tagung bildeten fünf Vorträge, die den Teilnehmenden einen fundierten Einblick in verschiedene Problemkreise diesen dynamischen Rechtsbereich gewährten. Einen Schwerpunkt der Referate bildete ein „Dauerbrenner“ des Bankrechts: die Behandlung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen in der Rechtsprechungspraxis.

Im Anschluss an die Begrüßung der Teilnehmer und der Referenten durch Prof. Dr. Matthias Casper, eröffnete Richterin am Bundesgerichtshof Frau Dr. Eva-Maria Derstadt vom XI. Zivilsenat die Tagung mit ihrem Beitrag „Aktuelle Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des BGH“. Zu Beginn warf sie einen Blick auf die jüngere Rechtsprechung des Senats, die seit dem letzten Bankrechtstag ergangen ist und sich vor allem mit der Prospekthaftung und dem Widerrufsrecht im Verbraucherdarlehensrecht auseinandersetzt. Daraufhin zeigte Frau Dr. Derstadt anhand aktueller Urteile des XI. Senats jüngste Herausforderungen der bankrechtlichen Praxis auf. So musste der Senat unter Anderem über die Rückzahlung von Bankentgelten und die Kündigung eines Zahlungsdiensterahmenvertrages eines Genossenschaftsmitgliedes durch die Genossenschaftsbank entscheiden. Eine weitere von Frau Dr. Derstadt behandelte Entscheidung befasste sich mit Warnpflichten von Banken im Überweisungsverkehr. Zuletzt präsentierte sie ein Urteil, bei dem der Senat über Ansprüche eines Kreditinstituts zu befinden hatte, dessen Wertpapiere aufgrund eines drohenden Verstoßes gegen US-Sanktionen von seiner Depotbank „eingefroren“ worden waren. In der sich an den Vortrag anschließenden Diskussion stand vor allem die von Prof. Dr. Carsten Herresthal, Universität Regensburg, aufgeworfene Frage im Raum, wie die Handlung der Depotbank – das „Einfrieren“ – im Rahmen des Rechtfertigungstabestandes von § 823 Abs. 1 BGB dogmatisch zu verorten sei.

Nach einer kurzen Kaffeepause informierte Herr Thorsten Höche, Chefjustiziar des Bundesverbandes deutscher Banken über „Aktuelle Reformvorhaben des Gesetzgebers in Brüssel und Berlin aus bankrechtlicher Perspektive“. Dabei warf er einen Blick auf das Arbeitsprogramm der EU-Kommission für 2025 und betonte die Relevanz der geplanten Payment Services Regulation (PSR) sowie der Payment Services Directive 3 (PSD3) für die Kreditwirtschaft. Weiterhin ging er auf die neue Financial Data Acess Regulation (FIDAR) sowie den Artificial Intelligence Act (KI-VO) ein und gab zu Bedenken, dass die frühzeitige Regulierung neuer Technologien für neue Geschäftsmodelle innovationshemmend sein könne. In dem folgenden Perspektivwechsel von Brüssel nach Berlin führte Herr Höche die Teilnehmer in die umgesetzten Gesetzgebungsprojekte der alten Bundesregierung ein und eruierte, welche nicht mehr verwirklichten Vorhaben von der neuen Regierung aufgegriffen werden könnten. In diesem Zusammenhang wies er auf den Diskussionsentwurf zur Umsetzung der neuen Verbraucherrechte-RL hin und erörterte die Umsetzung der Barrierefreiheits-RL in der Finanzbranche. Abschließend warf er einen Blick in den Koalitionsvertrag der jüngsten Bundesregierung und brachte seine Hoffnung zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber de lege ferenda eine sachgerechte Lösung für die Änderung bankvertraglicher AGB finden wird. Die auf das Referat folgende Diskussion setzte sich – angestoßen von Dr. Nils Rümpker, Grüter Rechtsanwälte – u.a. mit der Frage auseinander, ob die Barrierefreiheits-RL nur die Erläuterungen eines Vertragstyps erfasst oder darüber hinaus den vertragsindividuellen Text selbst in Bezug nimmt.

Im letzten Vortrag vor der Mittagspause unterzog Prof. Dr. Carsten Herresthal, Professor am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht, Europarecht und Rechtstheorie an der Universität Regensburg, in seinem Beitrag „Die AGB-Kontrolle im Bankrecht – quo vadis?“ die jüngste Rechtsprechung des BGH zu bankrechtlichen AGB einer kritischen Prüfung. Prof. Dr. Herresthal strich heraus, dass sich die Legitimation der AGB-Kontrolle – entgegen verbreiteter Auffassung – nicht aus einem Ungleichgewicht zwischen den Parteien ergebe, sondern sich aus dem rationalen Desinteresse der Gegenpartei an einer Überprüfung der Klauseln rechtfertige. Die AGB-Kontrolle sei – wie sich schon aus der Gesetzesbegründung zum AGB-Gesetz ergebe – eine begründungsbedürftige Ausnahme vom Grundsatz der Privatautonomie. Von dieser Prämisse ausgehend untersuchte Prof. Dr. Herresthal die „Deformation der AGB-Kontrolle im Bankrecht“ anhand der ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung. Dabei hinterfragte er die Leitbilder der BGH-Rechtsprechung und wies darauf hin, dass sich die Inhaltskontrolle von der Bankpraxis abgekoppelt habe; die Rechtsprechung setze oft ein intendiertes Fehlverständnis der Klausel voraus. Zum Ende seines Referates skizzierte Prof. Dr. Herresthal die künftige Entwicklung der AGB-Kontrolle. Dabei plädierte er für eine präventive Kontrolle von AGB durch Aufsichtsbehörden. An diesem Schlussstatement entzündete sich im Nachgang eine lebhafte Kontroverse darüber, ob ein solcher Ansatz geeignet sei eine funktionale AGB-Kontrolle zu gewährleisten und wie verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz gegen eine Aufsichtsentscheidung zu erlangen sei.

Nach einer Stärkung der Teilnehmer am Mittagsbuffet fuhr die Tagung mit dem Bericht „Auswirkungen der AGB-Kontrolle auf das Recht der Bausparkassen“ von Frau Agnes Freise, Leiterin Recht und Steuern im Verband der Privaten Bausparkassen, fort. Frau Freise führte in die Welt des Bausparens ein und gab einen fundierten Überblick über Zweck, Funktion und Verbreitung des Bausparens; dabei ging sie auch auf die Rechtsnatur des Bausparvertrages ein. Ihr Vortrag widmete sich dann den Besonderheiten der AGB in Bausparverträgen, die sie exemplarisch anhand einiger Urteile aufzeigte. Sie wies darauf hin, dass es im Bereich der Bausparkassen-AGB schon eine Präventivkontrolle durch die BaFin gäbe, die jedoch eine Überprüfung durch die Rechtsprechung nicht obsolet mache. Zudem wende der BGH zwar in der „Darlehensphase“ des Bausparvertrages Darlehensrecht an, berücksichtige indes die Eigenheiten des Bausparens, indem er bei der AGB-Kontrolle die „Gesamtinteressen der Bauspargemeinschaft“ mit in die Abwägung einstelle. Die sich anschließende Diskussion widmete sich vorrangig der Frage, ob die niedrigen Zinsen in der „Ansparphase“ des Bausparens als Entgelt für die Einräumung der Darlehensoption angesehen werden könnten.

Zum Abschluss des Bankrechtstages gewährte Dr. Martin Lange, Partner Grüter Rechtsanwälte, mit seinem Vortrag „Notwendigkeit und Plausibilisierung eines Sanierungsgutachtens vor Begebung eines Sanierungsdarlehens“ den Teilnehmern einen profunden Einblick in die Sanierungspraxis. Mit Blick auf die gestiegene Zahl an Insolvenzen und Sanierungsfällen erörterte Herr Dr. Lange, wann eine Sanierungsbedürftigkeit vorliege und welche Kreditierung unter den Begriff des Sanierungskredits falle. Weiter ging er auf die Frage ein, ob ein Sanierungsbewusstsein des Darlehensgebers erforderlich sei und inwiefern Restriktionen bei der Kündigung von Sanierungsdarlehen greifen. Dabei behandelte er sowohl den aufsichtsrechtlichen Rahmen des Sanierungskredits als auch dessen zivilrechtliche Ausgestaltung. Seine Praxiserfahrung ließ Herr Dr. Lange ferner bei der Darstellung der formalen Anforderungen an ein Sanierungsgutachten einfließen, das idealerweise den Standard zu den Anforderungen an Sanierungskonzepte (IDW S 6) erfüllen solle. Für Diskussionsstoff nach dem Referat sorgte u.a. der Beitrag von Herrn Lucas Roters, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Unternehmens- und Kapitalmarktrecht, inwiefern Financial Covenants Sanierungsdarlehen beeinflussten und ob die durch das StARUG neu geschaffenen Eingriffsmöglichkeiten in der Sanierungspraxis genutzt werden.

Mit einem Hinweis auf den nächsten Bankrechtstag 2027 sowie ein Abendsymposium am 27.01.2026 mit einem Vortrag von Prof. Dr. Heinrich Schoppmeyer, dem Vorsitzenden des IX. Senats beim BGH zur Vorsatzanfechtung bei Sanierungskrediten, und einem herzlichen Dank an die Referenten, den Förderverein und seine Mitarbeiter läutete Prof. Dr. Matthias Casper das Ende der gelungenen Veranstaltung ein und verabschiedete die Teilnehmer in das verdiente Wochenende.

Autor: Johannes Tschich, Copyright der Fotos Susanne Zäck