Im Rahmen des von Prof. Dr. Moritz Vormbaum moderierten Kriminalwissenschaftlichen Kolloquiums hielt Prof. Dr. Dr. Miguel Ángel Cano Paños von der Universität Granada am 18. Mai einen Vortrag zum Thema „Der weitgefasste Korruptionsbegriff in der Europäischen Union. Eine kriminologisch-rechtsvergleichende Analyse am Beispiel der Straftat des Einflussmissbrauchs (trading in influence)“.
Ausgangspunkt seines Vortrages war die potenzielle Strafbarkeit von Mandatsträgern wegen der Beteiligung an den sogenannten „Maskenaffären“, die im Rahmen der Corona-Pandemie sowohl in Deutschland als auch in Spanien große Aufmerksamkeit erlangten.
Diesbezüglich präsentierte Prof. Cano Paños Unterschiede zwischen dem deutschen und spanischen Korruptionsstrafrecht. Während Deutschland bei der Korruption im öffentlichen Sektor zwischen Mandats- (§ 108e StGB) und Amtsträgerdelikten (§§ 331 ff. StGB) differenziert, fallen Mandats- und Amtsträger in Spanien unter dieselben Tatbestände. Ferner enthält der spanische Código Penal in den Artikel 428-430 die besonderen Korruptionstatbestände des „tráfico de influencias“ (Einflussmissbrauch, trading in influence), die kein unmittelbares Pendant im StGB finden.
Mit Blick auf die „Maskenaffären“ und unter Verweis auf Daten zur Verfolgungspraxis verdeutlichte Prof. Cano Paños, dass trotz dieser Unterschiede die strafrechtliche Erfassungvon Korruption von Mandatsträgern in beiden Ländern auf viele – jeweils auch tatbestandliche – Hindernisse stoße. Der Korruption von Mandatsträgern müsse daher insbesondere durch außerstrafrechtliche Transparenz- und Verhaltensregeln begegnet werden.
Prof. Cano Paños führte ferner aus, welche Konsequenzen die Unterschiede im Korruptionsstrafrecht für den Erlass eines europäischen Haftbefehls haben können. Nach Artikel 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlussses des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl entfällt unter anderem bei Korruptionsdelikten die Voraussetzung der beiderseitigen Strafbarkeit. Der Rahmenbeschluss definiert dabei aber nicht, welche Tatbestände unter den Korruptionsbegriff fallen.
Der Vortrag von Prof. Cano Paños zeigte, dass Rechtsvergleichung nicht beim Vergleich zweier Rechtsordnungen aufhört, denn im Anschluss an die Präsentation entstand im trotz der frühsommerlichen Hitze gut gefüllten Vorlesungssaal eine rege Diskussion über die Reformbedürftigkeit des deutschen Korruptionsstrafrechts und des Art. 2 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses.