Neue Entwicklungen im Umweltrechtschutz
– Münsteraner Gespräche zum Umwelt- und Planungsrecht –
Constanze M. Schäckel
Die jüngere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und die Entscheidungen des Aarhus Compliance Comittees haben den deutschen Gesetzgeber dazu veranlasst, das Umweltrechtsbehelfsgesetz (UmwRG) erneut an die Vorgaben des Völker- und Europarechts anzupassen. Die damit einhergehenden Änderungen und Herausforderungen für den Umweltrechtsschutz waren Gegenstand der letzten Münsteraner Gespräche zum Umwelt- und Planungsrecht im Mai 2018, welche halbjährlich gemeinsam von dem Institut für Umwelt- und Planungsrecht (IUP) der juristischen Fakultät der Universität Münster und dem Zentralinstitut für Raumplanung (ZIR) an der Universität Münster ausgerichtet werden.
Nach der Begrüßung durch Prof. Dr. Hans D. Jarass, LL.M., Geschäftsführender Direktor des ZIR, begann Frau Prof. Dr. Sabine Schlacke, Geschäftsführende Direktorin des IUP, mit einer Einführung in die Thematik, indem Sie die bisherige Entwicklung des Umweltrechtsbehelfsgesetzes und die aktuelle Novelle aus dem Jahr 2017 skizzierte. Dabei ging Sie insbesondere auf den erweiterten Anwendungsbereich (§ 1 Abs. 1 S. 1 UmwRG) ein sowie auf die Unterscheidung zwischen „alten“ Art. 9 Abs. 2 Aarhus-Konvention-Gegenständen nach § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 UmwRG und „neuen“ Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention-Gegenstände nach § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 bis 6 UmwRG, für die sich jeweils unterschiedliche Rechtsfolgen aus dem Umweltrechtsbehelfsgesetz ergeben.
Sodann referierte Prof. Dr. Dr. Wolfgang Durner, LL.M., Professor für Öffentliches Recht an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, über SUP-pflichtige Fachpläne in der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle und richtete den Blick auf die neuen Klagemöglichkeiten der Umweltverbände nach § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 Buchst. a) UmwRG. Er erläuterte die Ausweitung des Anwendungsbereichs des Umweltrechtsbehelfsgesetzes und ihren supranationalen Hintergrund und ordnete SUP-pflichtige Pläne und Programme als Gegenstand der umweltrechtlichen Verbandsklage ein. Aufgrund des „Protect“-Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 20. Dezember 2017 nimmt Durner an, dass nochmaliger Novellierungsbedarf des Umweltrechtsbehelfsgesetzes hin zu einer erneuten Ausweitung des Anwendungsbereichs bestehe. Nach einem Vergleich der bisherigen Klagemöglichkeiten gegen SUP-pflichtige Pläne, die bislang überwiegend lediglich inzident gerichtlich überprüft werden konnten, mit der aktuellen Rechtslage stellte der Referent die These auf, dass die Novellierung des Umweltrechtsbehelfsgesetzes nicht nur zu einer quantitativen, auf den Gegenstand der Klage bezogenen Ausweitung der gerichtlichen Überprüfungsmöglichkeiten führe, sondern ebenfalls eine tiefere, qualitative Überprüfung der Pläne zur Folge habe.
Im Anschluss daran berichtete Matthias Sauer, Ministerialrat im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit in Berlin, über die neuesten Entwicklungen des Umweltrechtsschutzes vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes und dem Aarhus Compliance Comittee. Zu Beginn konstatierte er, dass das Thema des Rechtsschutzes im Umweltrecht auch nach der Novelle 2017 weiterhin nicht befriedet sei. Anknüpfend an die Einführung erfolgte eine detaillierte Erläuterung des völker- und europarechtlichen Hintergrundes der Novelle des Umweltrechtsbehelfsgesetzes 2017 und eine Einordnung der Verbandsklagemöglichkeit in das System der Interessentenklage in Abgrenzung zu dem Prinzip der Verletztenklage. Der Referent legte dar, durch welche Regelungen sowohl auf europäischer Ebene als auch im deutschen Recht Art. 9 Abs. 2 und Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention jeweils umgesetzt wurden, und kritisierte die rechtspolitische Situation, dass sich der Gesetzgeber auf EU-Ebene zurückgezogen habe und die Rechtsprechung ersatzweise als Gesetzgeber fungiere. Zudem zeigte Sauer die weitere Entwicklung des Umweltrechtsschutzes im Nachgang der Novellierung des Umweltrechtsbehelfsgesetzes 2017 auf. So habe die 6. Vertragsstaatenkonferenz zur UN ECE Aarhus-Konvention im September 2017 festgestellt, dass Deutschland seine völkerrechtlichen Verpflichtungen zumindest vorläufig erfüllt habe. Abschließend ging Sauer auf aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen des Umweltrechtsschutzes ein und nahm insbesondere die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in den Fokus. Hierbei thematisierte er die Urteile des Europäischen Gerichtshofs vom 08. November 2016 (Rs. C-243/15) und vom 20. Dezember 2017 (Rs. C-664/17 [Protect]), die Folgen für den Rechtsschutz und die Öffentlichkeitsbeteiligung mit sich brächten und zu erneuten Diskussionen über den Umweltrechtsschutz führten. Zudem warf Sauer einen Blick auf die aktuelle Rechtsprechung deutscher Verwaltungsgerichte im Bereich des Umweltrechtsschutzes.
Die abschließende Diskussion zeigte, dass das Umweltrechtsbehelfsgesetz die unterschiedlichen Akteure sowohl in praktischer als auch in rechtlicher Hinsicht weiterhin vor große Herausforderungen stellt.
Die Münsteraner Gespräche zum Umwelt- und Planungsrecht griffen wie bereits in vergangenen Veranstaltungen eine aktuelle und fachlich interessante Thematik auf und boten den zahlreichen Teilnehmern aus Wissenschaft und Praxis einen detaillierten Einblick in die neuen Entwicklungen im Umweltrechtsschutz.
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