ELSA Moot Court Competition – Ein Team berichtet
Münster, nach dem Grundstudium: Begonnen hat der WTO-Recht Moot Court für uns im September 2014. Zuvor hatten wir, Andreas Werry, Thomas Lebe und Cennet Binzer uns unabhängig voneinander für den Moot Court beworben, welcher von unserer Universität, der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, beworben wurde. Ehemalige Teilnehmende berichteten an einem Informationsabend über den Ablauf des Wettbewerbs. Zunächst werden jeweils Kläger- und Beklagtenschriftsatz in englischer Sprache auf Grundlage eines jährlich neu erscheinenden, fiktiven Falles verfasst. Diese werden im Januar abgeschickt und anschließend wird für die europäische Vorrunde geübt, in der der Fall vor einem Panel, einem nachgestellten Schiedsgericht der WTO, verhandelt wird.
In unserem Fall fand die Vorrunde vom 23. bis zum 27. März 2015 in Halle an der Saale statt (für gewöhnlich geht es jedoch auch schon in der Vorrunde ins Ausland: unsere Vorgänger durften Porto und Prag besuchen). Sofern das Team dort eine gute Platzierung erreicht, qualifiziert es sich für die weltweite Finalrunde, welche jährlich in den Gebäuden der Welthandelsorganisation in Genf stattfindet.
Unser Weg begann ursprünglich im 4-er Team. Nachdem der diesjährige Fall „Viridium – Measures Affecting The Agricultural Sector“ veröffentlicht wurde, haben wir begonnen, uns mit den Klagebegehren auseinanderzusetzen. Diese behandelten vor allem das Problem der Vereinbarkeit von Tierschutzmaßnahmen mit dem strikten Regelungswerk der WTO und der Frage, inwieweit Handelsmaßnahmen privater Organisationen Staaten zuzurechnen sind. Wir alle kannten uns bis auf eine Ausnahme weder persönlich, noch war uns die Materie des Welthandelsrechts bekannt. Nach einigen Wochen intensiver Einarbeitung in die Inhalte des TBT Agreement (Technical Barriers to Trade) und des GATT (General Agreement on Tariffs and Trade) sowie paralleler Einarbeitung in das Fallrecht der WTO (Panel– sowie Appellate Body Reports) gewannen unsere Schriftsätze mehr Struktur und Inhalt. Glücklicherweise wurden wir von unserer Universität während dieser sehr intensiven Arbeitsphase von dem herkömmlichen Universitätsalltag freigestellt und erhielten ein eigenes Büro, welches uns 24 Stunden zur Verfügung stand. Darüber hinaus wurden wir von zwei Coaches, Benita Leder und Patrick Wasilczyk, beide ehemalige Teilnehmer des gleichen Moot Courts, betreut. Wir trafen uns jede Woche, um die bisherigen Neuerungen an den Schriftsätzen zu besprechen und knifflige Probleme auf Kläger- und Beklagtenseite zu diskutieren. Beide standen uns für Fragen und als Betreuer rund um die Uhr zur Verfügung.
Unsere persönliche Kennlernphase im Team verlief zu Beginn noch etwas stockend. Vor Weihnachten hat uns unser viertes Teammitglied dann verlassen, was schließlich dazu führte, dass wir neben dem gesamten Tag auch die Nächte im Büro verbrachten, um die fehlenden Teile zu kompensieren. Eben diese sehr intensive gemeinsame Arbeitsphase trug jedoch stark zu unserem Teambuilding bei, sodass wir uns immer besser verstanden und bis heute auch noch immer viel gemeinsam unternehmen. Auch, wenn es zunächst abschreckend klingen mag – sich nächtelang im Büro mit dem Welthandelsrecht zu beschäftigen, macht in einem gut gelaunten und lustigen Team sehr viel Spaß.
Als nächste große Hürde kam schließlich der finale Abgabetermin am 18. Januar 2015. Nachdem wir ziemlich genau auf die letzte Sekunde und mit einem sehr großen Schlafdefizit die Schriftsätze an ELSA International abgeschickt hatten, wurde im Büro bis morgens früh gefeiert.
Nach einer zweiwöchigen Erholungsphase begannen wir für den mündlichen Vortrag, das Pleading, in Halle an der Saale zu üben. Diese Art der Vorbereitung war im Gegensatz zur Schriftsatzphase sehr viel freier. Wir übten das verständliche Präsentieren der Beschwerdegegenstände in der Rolle der Vertreter des jeweiligen Landes. Neben der Verbesserung unserer Sprachkenntnisse erlernten wir durch die Pleadings ebenso viel über Körpersprache und Haltung sowie das Antworten auf Fragen, mit welchen man sich bisher noch nicht auseinander gesetzt hatte. Um diese Fähigkeiten zu verbessern und die anstehende Situation in Halle an der Saale möglichst realistisch zu üben, organisierten unsere Coaches Auswärtstermine, sogenannte Probe-Pleadings. Daraufhin übten die Kanzleien Hogan Lovells auf Einladung von Dr. Kim Lars Mehrbrey in Düsseldorf und CMS Hasche Sigle auf Einladung von Dr. Matthias Schlingmann in Hamburg mit uns den Ernstfall vor einem fremden Panel. Ebenso empfing uns Prof. Dr. Jörg Philipp Terhechte, Professor für Internationales Recht an der Universität Lüneburg. Wir wurden überall herzlich in Empfang genommen und konnten unsere erlernten Fähigkeiten und unser gesamtes Pleading vor fremden Personen präsentieren. Darüber hinaus erhielten wir auch die Chance, die Kanzleien jeweils zu besichtigen und über die Arbeit von praktizierenden Juristen in Großkanzleien zu erfahren.
Regionalround: Halle
Endlich, Schriftsätze vollendet und mündliche Präsentation beider Seiten einstudiert, ging es im März 2015 mit dem Zug nach Halle zur europäischen Regionalrunde. Den Startpunkt dieser Regionalrunde setzte die Auslosung der Vorrundenduelle in der historischen Aula im Löwengebäude auf dem Campus der juristischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Der gesamte Wettbewerb erfolgt unter strikter Anwendung der Anonymitätsregel, um eine möglichst objektive Bewertung der Teams zu ermöglichen. Deswegen ist das Erwähnen der Herkunft streng untersagt und die Kommunikation mit den Teams erfolgt durch die Nennung von zuvor festgelegten Teamnummern. An der Regionalrunde in Halle an der Saale beteiligten sich insgesamt 15 Teams verschiedener Universitäten aus ganz Europa, von denen sich nach Austragung der Vorrunde vier Teams für die Finalrunde in Genf qualifizieren konnten. Zum Zeitpunkt der Auslosung konnten wir deswegen nur spekulieren, wer unsere Gegner sein würden.
Schlag auf Schlag. Nach der Auslosung standen dann unsere beiden Vorrundengegner und die Reihenfolge, zunächst auf der Kläger- und am darauffolgenden Tag auf der Beklagtenseite zu plädieren, fest. Nach einem gemeinsamen Essen zogen wir uns für die letzten Vorbereitungen auf unser Zimmer zurück und gingen dort noch einmal den gesamten Klägervortrag durch. Die halleschen Mitglieder der „European Law Students‘ Association" (ELSA) hatten uns und einen Großteil der anderen Teams in einem der Universität nahegelegenen Hostel untergebracht. Schon auf dem Rückweg von der Auslosung ins Hostel haben wir die ersten Bekanntschaften mit Mitgliedern anderer Teams gemacht.
Am nächsten Morgen starteten wir mit unserem Pleading gegen ein tschechisches Team in den Wettbewerb. Auch wenn die gesamte Vorbereitung durch zahlreiche Vorträge intern und extern im Vorfeld der Regionalrunde viel Routine erzeugt hatte, war das erste Pleading doch von einer gewissen Anspannung und Nervosität gekennzeichnet. Auch die Zeit vor dem nächsten Pleading verbrachten wir mit intensiver Vorbereitung. Mit dem zweiten Vortrag auf der Beklagtenseite gegen ein Moskauer Team endete die Vorrundenphase. Bis zur Bekanntgabe der vier Halbfinalisten am Abend hatten wir erstmalig Freizeit und nutzten diese, um die anderen Teams in unserer Unterkunft kennenzulernen und gemeinsam die Stadt zu erkunden.
Zusammen mit den anderen Teams durchquerten wir am Abend die hallesche Innenstadt zum Hotel der Panellisten, um dort der Bekanntgabe der vier Halbfinalisten beizuwohnen. Sehr euphorisch wurde unsere Stimmung natürlich mit der Bekanntgabe der letzten von vier Teamnummern – der unsrigen. Die Begeisterung über unseren Einzug ins Halbfinale war riesig, schnell gefolgt von der Erkenntnis, dass uns bis zum nächsten Tag erneut intensive Vorbereitung erwartete.
Ein glücklicher Münzwurf bescherte uns ein Halbfinale gegen das Team aus Zürich erneut auf Beklagtenseite. Wir konnten hierdurch auf unsere Erfahrungen des letzten Pleadings zurückgreifen und unsere Stärken weiter ausbauen.
Die Freude selbstverständlich enorm groß, als uns unser Fortschreiten ins Finale verkündet wurde. Diesmal würde uns das Team aus Amsterdam gegenüberstehen. Die zwei Stunden zwischen Bekanntgabe der Finalisten und dem Finale vergingen wie im Flug unter fieberhafter Vorbereitung und letzter Feinabstimmung der Vorträge.
Das große Finale der Regionalrunde fand in Anwesenheit aller Teams in der Aula statt. Unser Auftritt vor geschätzt über hundert Personen und einem achtköpfigen Panel hatte nochmals eine ganz neue Dimension. Wir erhielten viel Lob für unsere Plädoyers. Wer allerdings das Rennen um den ersten Platz gemacht hatte, sollten wir erst mehrere Stunden später am Abend beim festlichen Abschlussdinner erfahren.
Genügend Anlass und Gründe für die riesige Party mit allen Teams im Anschluss an das Essen gab für uns natürlich der Umstand, dass wir als Sieger der diesjährigen europäischen Regionalrunde gekürt wurden. Des Weiteren gewann unserer Teammitglied Cennet Binzer den Preis für die beste Rednerin des Halbfinales.
Insgesamt war die Regionalrunde in Halle eine wundervolle Erfahrung und tolle Chance die Studenten anderer Fakultäten kennen zu lernen. Bis zum heutigen Tag stehen wir mit vielen der dort kennengelernten Personen immer noch in Kontakt.
Final Oral Round: Geneva
Zeitsprung. Viele Vorbereitungsstunden später – 2. Juni, Dienstagmorgen, 5.00 Uhr, – Münster Westfalen Hauptbahnhof: der Bahnsteig ist wie ausgestorben bis auf, ja bis auf fünf (noch) müde Münsteraner Studierende auf ihrem Weg zur weltweiten Finalrunde der ELSA Moot Court Competition (EMC2) in Genf. Über Düsseldorf und Zürich geht es mit dem Flieger in die gefühlt 20 Grad wärmere Stadt am „Lac Léman“. Das Ticket hierzu hatte das Team gut anderthalb Monate zuvor fast noch bei Minusgraden an der Saale gelöst.
Der Wettbewerb wurde mit einer feierlichen Eröffnungszeremonie am Sitz der WTO begonnen. Dort begrüßte ein eigens dafür angebrachtes Transparent die 20 qualifizierten Teams aus der ganzen Welt. Alle Teilnehmer erhielten offizielle „Badges“ und konnten (beinahe) den gesamten Sitz der WTO frei erkunden. Beeindruckt von der imposanten Kulisse ließen wir uns in einem der größten Sitzungssäle in bequeme Sessel fallen und warteten auf die Begrüßung – wie man es aus internationalen Organisationen kennt, befanden wir uns an langen Tafeln, jeder von uns hatte ein Mikrophon und Kopfhörer vor sich. Im Raum sammelten sich nach und nach Menschen von allen Kontinenten dieser Erde. Dann ging es los – die Vorsitzende von ELSA International, Tanja Sheikhi, die bekannte WTO-Rechtlerin und Mitarbeiterin in der Legal Division der WTO, Gabrielle Marceau und letztlich Jennifer Hillman, unter anderem ehemaliges Mitglied des höchsten Streitbeilegungsorgans der WTO (Appellate Body) und vormalige Vize-Vorsitzende der International Trade Commission, begrüßten die bunt gemischte Menschenansammlung. Der Moment, auf den alle Teams warteten – die Ziehung der Paarungen für die „Preliminary Round“ – wurde dann äußerst spannend gehalten: Marceau bat „Prominenz“ der WTO, welche sie im hinteren Teil des Saales erspäht hatte, auf die Bühne, um die Lose zu ziehen. So bildeten sich nach und nach die Konstellationen für die kommenden zwei Tage. Wir sollten am Mittwochmorgen auf Südafrika (University of Pretoria) und am Donnerstagnachmittag auf den – so viel sei hier schon verraten – späteren Sieger des Wettbewerbs – die West Bengal National University of Juridical Sciences, Indien, treffen. Nach der Ziehung gab es noch einen Empfang, wo sich bereits die erste Gelegenheit bot, neue Bekanntschaften zu machen (und für unsere Coaches, alte wiederzutreffen).
In den kommenden zwei Tagen waren wir mit unseren Vorrunden-Pleadings befasst, welche noch unter Ausschluss der Öffentlichkeit und vor einem jeweils dreiköpfigen Panel in den Räumlichkeiten des Graduate Institutes Genf stattfanden. Bis auf einen kleinen „Belohnungsabstecher“ zum Genfer See waren wir denn auch im Übrigen in Vorbereitungen verhaftet. Nachdem wir am Donnerstagnachmittag unter brütender Hitze unser zweites Pleading absolviert hatten, kam es zur Bekanntgabe der Viertelfinalisten. Dieses Mal vergingen die acht Aufrufe, ohne dass wir die Verkündung unserer Teamnummer 083 feiern konnte – es war aus. Nach dem Moment, den wir brauchten, um dies zu realisieren, nahmen wir die Dinge, wie sie waren, verbrüderten uns mit den 11 weiteren Teams, die es nicht weiter geschafft hatten und stießen auf das Ende einer ereignisreichen Moot Court Zeit an.
Wir konnten nun ohne Einschränkungen die verbliebenen Tage in Genf und das umfangreiche Rahmenprogramm des Wettbewerbs nutzen. So bot sich die Möglichkeit, die UN zu besichtigen und an einem „Career Panel“ in der WTO teilzunehmen, wo arrivierte Persönlichkeiten des Welthandelsrechts über ihren Werdegang berichteten und bei einem im Anschluss stattfindenden Empfang Fragen zu Karrieremöglichkeiten in ihrer Domäne beantworteten. Hier bot sich erneut die Möglichkeit, ungezwungen mit den „Professionals“ ins Gespräch zu kommen. Auch den Coaches wurde ein ähnliches „Networking“-Event geboten. Auf Einladung von Marceau kam man dort bei einer Cocktail-Party mit den Mitgliedern des Akademischen Beirates des Moot Courts wie auch den anderen Persönlichkeiten des WTO-Rechts ins Gespräch.
Und prompt war der letzte Tag des Wettbewerbs gekommen. Um 14.00 Uhr hatten sich alle in dem Saal, wo sonst auch der Dispute Settlement Body tagt, versammelt. Wir saßen zufällig an dem Tisch, wo, wie wir später erfuhren, bei jenen Sitzungen die Delegierten der EU Platz nehmen. Dann ging es zur Sache: National Law University, Jodhpur India vs. West Bengal National University of Juridical Sciences, India. In einem sehr spannenden Pleading zeigten die Finalisten, dass sie es verdient hatten, vor dem diesmal neunköpfigen Panel zu erscheinen. Nach dem großen Schlagabtausch und einer Pause auf der parkartigen Terrasse der WTO folgte die Verkündung der Ehrungen. Das Team der West Bengal National University of Juridical Sciences, India – unserer früherer Vorrundengegner, konnte das Finale letztlich knapp für sich entscheiden. Dr. Karl Brauner, Deputy Director-General der WTO, nahm die Verleihung der Auszeichnungen vor. Zum Abschluss wurden alle Teams einzeln aufgerufen, um vorne persönlich ihre Teilnehmerurkunden in Empfang zu nehmen. Bei Aufruf unserer Teamnummer erlaubte er sich den Spaß, zu verkünden, dass dies der Grund sei, warum er als Deutscher die Auszeichnung vornehme: „Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Rechtswissenschaftliche Fakultät“. Nach einem großen Gala-Dinner und anschließender Feier saßen wir fünf um 6.00 Uhr erneut müde aber mit einer einheitlichen Einsicht wieder im Flieger Richtung Heimat: Es war alle Mühe wert!
Unser Dank für dies alles gilt insbesondere dem Freundeskreis Rechtswissenschaft e.V. und dem europäischen Forum für Außenwirtschaft, Verbrauchersteuern und Zoll e.V. sowie der Siemens Wind Power A/S, ohne deren großzügige finanzielle Unterstützung die Teilnahme an der Endrunde in Genf nicht möglich gewesen wäre. Des Weiteren danken wir dem Zentrum für Außenwirtschaftsrecht und der Fachschaft Jura für die Gewährung die Finanzierung des Vorhabens komplettierender, wertvoller Zuschüsse und der Universitätsbuchhandlung Krüper für das freundliche Präsent.
Stud. iur. Andreas Werry, stud. iur. Thomas Lebe und stud. iur. Cennet Binzer
Dieser Erfahrungsbericht ist ebenfalls in JuS 8/2015, S.27-29 zu finden.