Fachgespräch "Geschlecht im Familienrecht – eine überholte Kategorie?"

Freitag, 10. Februar 2023 in Münster


Am 10. Februar 2023 fand an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Münster das Fachgespräch „Geschlecht im Familienrecht – eine überholte Kategorie?“ statt. Es handelte sich um das sechste und vorerst letzte Gespräch der von Prof. Dr. Anne Röthel (Bucerius Law School) und Prof. Dr. Bettina Heiderhoff (Universität Münster) initiierten Reihe „Fachgespräche im Familienrecht“.

Vertreter:innen aus Wissenschaft, Justiz und Politik diskutierten über die Rolle und Notwendigkeit des Geschlechts für das Familienrecht. Zum Auftakt lieferte Prof. Dr. Marina Wellenhofer eine Bestandsaufnahme zu den Spuren des Geschlechts im geltenden Familienrecht. Sie zeigte auf, dass es neben Normen, die das Geschlecht ausdrücklich als Anknüpfungspunkt nutzen, auch geschlechtsneutral formulierte Normen gibt, die aber auf bestimmten Rollenbildern beruhen. Daran anknüpfend arbeitete Prof. Dr. Saskia Lettmaier heraus, dass die Anwendung des geltenden Abstammungsrechts zu Ergebnissen führt, die mit der geschlechtlichen Selbstbestimmung nicht vereinbar sind, und hier dringender Reformbedarf besteht.

Prof. Dr. Ulrike Lembke ging sodann der Frage nach, ob aus verfassungsrechtlicher Sicht eine Streichung des Geschlechts aus dem Familienrecht möglich, vielleicht sogar geboten ist. Dabei stützte sie ihre Ausführungen insbesondere auf Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 GG und zeigte mögliche Diskriminierungsdimensionen auf, die eine Streichung des Geschlechts aus dem Familienrecht begründen könnten, aber auch die Diskriminierungsgefahren, die sich aus einem „neutralen“ Familienrecht ergeben könnten. Schließlich schloss Prof. Dr. Anne Röthel die Vortragsreihe mit einem Beitrag über den Begriff der Natur als Begründungsansatz bei der Ausgestaltung des Familienrechts. Sie zeichnete dabei nach, wie sich das Verständnis, was „natürlich ist“, seit der Entstehung des BGB verändert hat, und was als Auslöser für diesen Wandel in Frage kommt.