Die EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur und ihre Folgen für das deutsche Umwelt- und Planungsrecht
Bericht über die Münsteraner Gespräche zum Umwelt- und Planungsrecht am 19. Februar 2025
Die vom Institut für Umwelt- und Planungsrecht (IUP) der Münsteraner Juristischen Fakultät sowie vom fakultätsnahen Zentralinstitut für Raumplanung (ZIR) gemeinsam ausgerichteten „Münsteraner Gespräche zum Umwelt- und Planungsrecht“ wollen aktuelle umwelt- und planungsrechtliche Fragestellungen in einer Nachmittagsveranstaltung erörtern und haben in diesem Zuschnitt in den vergangenen Jahren stetes Interesse der Fachöffentlichkeit gefunden. Die jüngste Gesprächsrunde zum Thema „Die EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur“ fand am 19.2.2025 unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Patrick Hilbert statt; bis zu 190 Vertreterinnen und Vertretern der Verwaltung, Rechtspflege und Wissenschaft nahmen an der Digitalkonferenz teil. Die am 18.8.2024 in Kraft getretene Verordnung (EU) 2024/1991 über die Wiederherstellung der Natur („EU Nature Restoration Law“, im Folgenden: „Wiederherstellungsverordnung“ – WVO) legt mittel- und langfristige Renaturierungsziele für Land-, Süßwasser- und Meeresökosysteme fest und verpflichtet die Mitgliedstaaten u.a. zu einer nationalen Renaturierungsplanung. Als Verordnung gilt der Rechtsakt nach Art. 288 Abs. 2 AEUV grundsätzlich unmittelbar und ohne mitgliedstaatliche Umsetzung. Doch wie fügen sich ihre Regelungen in das deutsche Umwelt- und Planungsrecht ein, und was ist bei deren Vollzug zu beachten?
In seinem Eröffnungsvortrag bot Prof. Dr. Wolfgang Köck, Mitglied des Sachverständigenrates für Umweltfragen (SRU) und bis 2024 Leiter des Departments Umwelt- und Planungsrecht am Helmholtz Zentrum für Umweltfragen (UFZ), Leipzig, einen konzisen Überblick über Entstehung, Ziele und Instrumente der WVO. Er stellte das neue „Restoration Law“ den etablierten Schutzregimen namentlich der FFH- und der Vogelschutzrichtlinie gegenüber und bewertete die Entwicklung „vom Schutzrecht zum Reparaturrecht“ als notwendige Ergänzung, weil das europäische Gebiets- und Artenschutzrecht die Land- und Waldwirtschaft nur unzureichend erfasse. Die Renaturierung gewinne als „dritte Säule des EU-Naturschutzrechts“ überdies umso mehr an Bedeutung, als die präventiven Schutzregime des Gebiets- und Artenschutzrechts zunehmend Relativierungen erführen, namentlich zugunsten der Gewinnung erneuerbarer Energien. Mit Blick auf den Vollzug der WVO in Deutschland zeigte Köck kompetenzrechtliche Friktionen auf, welche aus den ausgeprägten naturschutzrechtlichen Gesetzgebungs- und Verwaltungsbefugnissen der Länder resultieren könnten, und plädierte für ein nationales Durchführungsgesetz zur WVO.
Die aus Sicht des deutschen Rechts aufgeworfenen Vollzugsfragen vertiefte im Anschluss Rechtsanwältin Dr. Anja Baars, Münster. Sie arbeitete einerseits die erheblichen Spielräume heraus, welche die WVO – als gleichsam „hinkende“ Verordnung – den Mitgliedstaaten belasse, betonte jedoch andererseits die unmittelbare Verpflichtungswirkung der Wiederherstellungsziele und des Verbesserungsgebots sowie des Verschlechterungsverbots der WVO; insbesondere letztere Gebote adressierten – in vergleichbarer Weise wie die entsprechenden Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) – unmittelbar den behördlichen Vollzug und seien dementsprechend auch in einzelnen Zulassungsverfahren vorhabenbezogen anzuwenden. Die kommunale Bauleitplanung werde durch die Wiederherstellungspflichten für städtische Ökosysteme nach Art. 8 WVO vor besondere Herausforderungen gestellt; sie müsse die planbedingten Auswirkungen auf Lebensraumtypen, Habitate und besondere Ökosysteme spezifischer prüfen und dokumentieren sowie ggf. nunmehr aktiv „Renaturierungsmaßnahmen“ anstoßen.
Abgerundet wurde die Veranstaltung durch den Vortrag von Prof. Dr. Sabine Schlacke, Universität Greifswald, der mit der Wiedervernässung von Mooren ein spezifisches Handlungsfeld der Renaturierung fokussierte, das nicht allein der Erreichung der WVO-Wiederherstellungsziele dient, sondern zugleich auch einen entscheidenden Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele nach § 3 und § 3a KSG leisten kann. Dabei lassen sich auf wiedervernässten Moorflächen ggf. weitere Nutzungen verwirklichen; gegenwärtig wird insbesondere die Errichtung von Moor-Photovoltaikanlagen diskutiert. Allerdings birgt die Wiedervernässung von Mooren in rechtlicher Hinsicht besondere Herausforderungen: Zum einen ist der Zugriff auf bestimmte Grundstücke essenziell und können bei fehlender Veräußerungsbereitschaft der Grundeigentümer langwierige Enteignungsverfahren die gebotenen Renaturierungsmaßnahmen verzögern. Zum anderen wirken vielfältige wasserhaushaltsrechtliche und naturschutzrechtliche Anforderungen, ggf. ferner raumordnungs-, bauplanungs- und denkmalschutzrechtliche Aspekte in ausgesprochen komplexer Weise zusammen und belasten die Praxis mit Rechtsunsicherheiten; nicht zuletzt in den ggf. durchzuführenden verschiedenen Zulassungsverfahren könnten zudem Konflikte zwischen der Renaturierung und anderen öffentlichen sowie privaten Belangen womöglich unterschiedlichen Lösungen zugeführt werden. Vor diesem Hintergrund formulierte Schlacke verschiedene rechtpolitische Empfehlungen.
Die an die Vorträge anschließenden Diskussionsrunden wurden von Prof. Dr. Patrick Hilbert und Prof. Dr. Susan Grotefels moderiert, die Gelegenheit zur Aussprache wurde intensiv genutzt. Eine weitere Runde der „Münsteraner Gespräche zum Umwelt- und Planungsrecht“ soll im Wintersemester 2025/2026 stattfinden; nähere Informationen werden auf den Internetseiten des IUP sowie des ZIR verfügbar sein.