Digitalisierung in Planung und Planungsrecht

Bericht über das Symposium aus Anlass des 60-jährigen Bestehens des Zentralinstituts für Raumplanung an der Universität Münster am 25. Oktober 2024

Das Zentralinstitut für Raumplanung (ZIR) wurde im Jahre 1964 auf Initiative des damaligen Bauministers für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung Paul Lücke und dessen Staats­sekretär Prof. Dr. Dr. h.c. Werner Ernst als sog. An-Institut der Universität Münster gegründet. In seiner ursprünglichen Ausrichtung verfolgte es einen interdisziplinären Forschungsansatz, der Städtebau, Raumplanung und „Raumwirtschaft“ aus rechts-, sozial- und wirtschaftswissen­schaftlicher Perspektive beleuchten sollte. In den letzten Jahrzehnten hat sich der Forschungs­schwerpunkt des Instituts einerseits auf die rechtliche Durchdringung der Raumplanung ver­lagert, andererseits in rechtswissenschaftlicher Hinsicht durch die Einbeziehung allgemeiner verfassungs-, verwaltungs- und europarechtlicher Fragestellungen erweitert, so dass das ZIR nunmehr den Zusatz „Forschungsinstitut für deutsches und europäisches öffentliches Recht“ führt. In den Räumlichkeiten der Bezirksregierung Münster feierte es mit seinem diesjährigen Symposium sein 60-jähriges Bestehen.

Das Institut wollte sich im Rahmen dieser Veranstaltung jedoch nicht ausschließlich im Glanze seiner Geschichte sonnen, sondern mit „Digitalisierung in Planung und Planungsrecht“ zugleich ein aktuelles und zukunftsweisendes Thema erörtern. Nicht nur haben in der jüngsten Vergan­genheit die Bundes- und Landesgesetzgeber mit dem Ziel der Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung die Digitalisierung der Planverfahren, insbesondere der Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung, stetig weiter ausgebaut. Auch für den Planungsprozess selbst birgt der technische Fortschritt womöglich Potenziale für eine verbesserte Erhebung, Auswertung und Verarbeitung von Daten; insbesondere fragt sich, inwieweit Algorithmen und Künstliche Intel­ligenz (KI) den planerischen Ermittlungs- und Entscheidungsprozess unterstützen oder gar er­setzen können.

Der Geschäftsführende Direktor des ZIR, Prof. Dr. Patrick Hilbert, nutzte seine Begrüßungsan­sprache dazu, die Institutsgeschichte und die Entwicklungslinien der Forschung am ZIR nach­zuzeichnen. Hier entstanden seit der Gründung weit mehr als 250 selbständige Forschungs­arbeiten, darunter mehr als 150 Dissertationen. Hilbert betonte, die Leitideen der Gründungs­zeit – die Aufwertung der räumlichen Planung sowie deren interdisziplinäre Begleitung – er­führen gegenwärtig eine Renaissance, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der gebotenen An­passung an den Klimawandel und stetig zunehmender Raumnutzungskonflikte. Die interdiszi­plinäre Rückbindung der heute vornehmlich juristischen Forschung am ZIR wird durch inten­sive Kontakte zu raumwissenschaftlichen Diskussionsforen gewährleistet, namentlich zur Aka­demie für Raumentwicklung in der Leibniz-Gemeinschaft (ARL) und zur Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung (DASL), der Rechtsträgerin des ZIR.

Dem schlossen sich Grußworte von Dr. Ansgar Scheipers, Regierungsvizepräsident des Regie­rungsbezirks Münster, und Prof. Dr. Peter Oestmann, Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Münster, an. Außerdem würdigten für die DASL Dr.-Ing. Irene Wiese-von Ofen, Beigeordnete a.D., Essen, sowie vonseiten der Förderer des ZIR – des Bundes und des Landes Nordrhein-Westfalen – Ministerialdirigent Dr. Jörg Wagner vom Bundesministe­rium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) und Mona Neubauer, Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen, die Forschungstätigkeit des ZIR.

Die Symposien des ZIR werden traditionell durch Berichte über aktuelle Entwicklungen in den Arbeitsbereichen der Bundes- und Landesministerien, die das Institut fördern, vervollständigt. Diese Berichte können über den engeren Rahmen des Veranstaltungsthemas hinausgehen. Aus dem BMWSB berichtete Dr. Jörg Wagner über die bevorstehende umfassende BauGB-Novelle durch das im Gesetzgebungsverfahren befindliche „Gesetz zur Stärkung der integrierten Stadt­entwicklung“.

Für das Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen als oberste Landesplanungsbehörde informierte Karin Weirich-Brämer, Leiterin des Referats Recht der Raumordnung und Landesplanung, über die am 12.6.2024 in Kraft getretene Novelle des Landesplanungsgesetzes.

Den Kreis der spezifisch auf das Tagungsthema ausgerichteten Vorträge eröffnete Prof. Dr. Annette Spellerberg von der Technischen Universität Kaiserslautern mit Überlegungen zur „Raumwirksamkeit der Digitalisierung und des Einsatzes Künstlicher Intelligenz“ aus Sicht der der Stadt- und Regionalsoziologie. Sie bewertete Städte insoweit als ein ideales Feld für den Einsatz und die Erprobung von KI, als sich in ihnen durch Mobilität und alltägliches Verhalten im Raum viele unterschiedliche Daten erheben und Algorithmen erproben ließen. Die Raum­wirksamkeit jener Technologien folge insbesondere aus den Bedarfen an Fläche, Leitungen, Energie und Kühlung für Server und Speicher, die wiederum der raumplanerischen Gestaltung bedürften und deren Umweltauswirkungen – bspw. bei der Benutzung von Gewässern zur Kühlung – nicht außer Acht gelassen dürften.

Aus juristischer Sicht knüpfte Dr. Jens Wahlhäuser vom Bundeskanzleramt, Berlin, mit seinem Vortrag „Beschleunigung der Planung durch Digitalisierung“ an einen Trend der jüngeren Beschleunigungsgesetzgebung an. Er fokussierte die Digitalisierung im Bauleitplanverfahren und die durch die BauGB-„Digitalisierungsnovelle“ vom 3.7.2023 vollzogenen Gesetzesände­rungen.

Die Möglichkeiten und rechtlichen Grenzen des Einsatzes Künstlicher Intelligenz in der Bau­leitplanung beleuchtete sodann Prof. Dr. Martin Kment, LL.M. (Cambridge), Universität Augs­burg. KI könne die Bauleitplanung auf vielfältige Weise unterstützen, insbesondere demogra­fische Daten, Verkehrsflüsse und Umweltfaktoren analysieren, um Muster für die Entschei­dungsfindung zu erkennen, durch Simulation und Modellierung verschiedene Planungsopti­onen testen und bewerten, im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung Stellungnahmen erfassen und auswerten, Prognosen hinsichtlich der Umweltauswirkungen erstellen und durch die Ana­lyse historischer Daten dem Risikomanagement dienen. Ferner trage sie zur Optimierung des Ressourceneinsatzes in der Verwaltung bei und könne durch Visualisierungen den Planern so­wie der Öffentlichkeit künftige Entwicklungen veranschaulichen, was nicht zuletzt die Akzep­tanz der Planungsergebnisse fördern könne.

Zuletzt sollte der Vortrag von Jun.-Prof. Hannah Ruschemeier, Fernuniversität Hagen, zum „Recht der Smart City“ die digitale Vernetzung und den Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Stadtentwicklung aus juristischer Perspektive würdigen. Der Referentin zufolge handelt es sich bei der Smart City allerdings nicht um einen Rechtsbegriff, sondern um ein definitions- und entwicklungsoffenes Konzept, das vorrangig von anderen Wissenschaften – Raum­planung und Architektur – ausgeformt wird.

Die inhaltliche Breite und die grundsätzliche wie praktische Bedeutung des Veranstaltungs­themas sowie der gehaltenen Vorträge spiegelten sich in den von Prof. Dr. Susan Grotefels, Geschäftsführerin des ZIR, Rechtsanwalt Prof. Dr. Martin Beckmann, Münster, Felix Kretsch­mer, Wissenschaftlicher Referent am ZIR, und Prof. Dr. Patrick Hilbert moderierten Diskus­sionen wider. Nachgegangen wurde u.a. Problemen des Datenschutzes und der Grundrechts­relevanz der planerischen Abwägung; besonders kritische Stimmen stellten zudem das „Innova­tionsnarrativ“ – die Gleichsetzung von Digitalisierung und KI mit Fortschritt und Wohlstand – in Frage oder sahen die Planung am Scheideweg zwischen „rationaler“ und „politischer“ Aus­richtung. Aus Sicht der Planungspraxis wurde auf die Notwendigkeit hingewiesen, verfügbare Technologien einerseits sowie Organisation und Entscheidungsprozesse in den Gemeinden andererseits besser aufeinander abzustimmen. Die Referate sowie Zusammenfassungen der je­weils anschließenden Diskussionen werden in einem Tagungsband versammelt, der in Kürze in der Schriftenreihe des ZIR, den „Beiträge(n) zum Raumplanungsrecht“, im Berliner Lexxion Verlag erscheinen wird.