Wohnraumvorsorge und Freiraumschutz – nachhaltige Flächennutzung durch Baurecht

Symposium am 5. Oktober 2021

Die gewachsene Nachfrage nach Wohnraum und der hiermit einhergehende steile Anstieg der Mieten und Grundstückspreise in vielen Städten und Regionen der Bundesrepublik haben seit Jahren ein dringendes Bedürfnis für eine Schaffung weiteren Baulands und der Sicherung be­zahlbaren Wohnens hervorgerufen. Dem soll namentlich das am 23.06.2021 in Kraft getretene „Gesetz zur Mobilisierung von Bauland“ Rechnung tragen, u.a. etwa durch Maßnahmen für „Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten“ (vgl. § 201a BauGB), die Einführung eines sektoralen Bebauungsplans für die Wohnraumversorgung (§ 9 Abs. 2d BauGB) sowie Modifi­zierungen der Vorschriften über das gemeindliche Vorkaufsrecht (§§ 24 ff. BauGB) und der Befreiungsmöglichkeiten (§ 31 Abs. 2 BauGB). Beibehalten wurde überdies die Möglichkeit einer Einbeziehung von Außenbereichsflächen in das beschleunigte Bebauungsplanverfahren (§ 13b BauGB). Die Schaffung von Bauland und der Wohnungsbau stehen indes in einem latenten Konflikt zu dem aus Gründen des Umwelt- und Klimaschutzes zentralen Anliegen des Freiraumschutzes und der hierfür notwendigen Reduzierung des Flächenverbrauchs. Dieses Spannungsfeld von Wohnraumsicherung und Freiraumschutz wollte das Zentralinstitut für Raumplanung an der Universität Münster (ZIR) auf seinem diesjährigen Symposium aus reprä­sentativen, grundlegenden wie aktuellen, Blickwinkeln beleuchten und der Frage nachgehen, wie sich die gegenläufigen Anliegen durch das Baurecht im Sinne einer „nachhaltigen Flächen­nutzung“ in Einklang bringen lassen. Glücklicherweise konnte die Veranstaltung wieder in Präsenz – wenngleich mit pandemiebedingt reduzierter Teilnehmerzahl – stattfinden: Rund 70 Teilnehmer aus Verwaltung, Justiz, Anwaltschaft und Wissenschaft versammelten sich am 05.10.2021 unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Sabine Schlacke in der Aula der Universität Münster zum fachlichen Austausch.

Die Symposien des ZIR werden traditionell durch Berichte über aktuelle Entwicklungen in den Arbeitsbereichen der Bundes- und Landesministerien, die das Institut fördern, eröffnet. Für das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) stellte Dr. Oliver Weigel, Leiter des Grundsatzreferats Stadtentwicklungspolitik beim Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumfor­schung (BBSR), die am 30.11.2020 verabschiedete „Neue Leipzig-Charta. Die transformative Kraft der Städte für das Gemeinwohl“ als neues Leitdokument zur Stadtentwicklungspolitik vor.

Für das Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nord­rhein-Westfalen als oberste Landesplanungsbehörde referierte Karin Weirich-Brämer, Leiterin des Referats „Recht der Raumordnung und Landesplanung“, über die Novellierung des Landes­planungsgesetzes (LPlG NRW).

Den Kreis der spezifisch auf das Tagungsthema ausgerichteten Vorträge eröffnete Prof. Dr. Pia Lange, LL.M., Universität Göttingen. In ihrer historisch ausgerichteten Analyse beleuchtete sie die Entwicklung der staatlichen Wohnraumvorsorge in Deutschland, von den Anfängen wäh­rend des Ersten Weltkrieges und in der Weimarer Republik bis zu den Herausforderungen der Gegenwart.

Eine stadtplanerische Perspektive auf Wohnraumvorsorge und Freiraumschutz steuerte Prof. Dipl.-Ing. Martin zur Nedden, Beigeordneter a.D., bei. Er betonte die großen Unterschiede in der Entwicklung des Wohnungsbedarfs im Bundesgebiet und die Notwendigkeit entsprechend differenzierter Strategien und Maßnahmen.

Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Christoph Külpmann arbeitete in seinem Vor­trag die unterschiedlichen Steuerungsansätze heraus, mit denen das Bauplanungsrecht Wohn­raumvorsorge und Freiraumschutz zu gewährleisten sucht.

Prof. Dr. Klaus Joachim Grigoleit, Technische Universität Dortmund, rundete das Symposium mit einem Vortrag über „Sonstige Steuerungsansätze zur Deckung des Wohnraumbedarfs im BauGB“ ab und ging damit über das Recht der Bauleitplanung hinaus. In den Mittelpunkt stellte er die einschlägigen Vorschriften des Baulandmobilisierungsgesetzes, die er einer kritischen Würdigung unterzog.

Dringlichkeit und Komplexität eines angemessenen Ausgleichs von Wohnraumversorgung und Freiraumschutz spiegelten sich in den intensiv geführten Diskussionen wider, die von Prof. Dr. Sabine Schlacke, Prof. Dr. Susan Grotefels, Dr. Anja Baars und Prof. Dr. Olaf Bischopink mo­deriert wurden. Die Referate sowie Zusammenfassungen der Diskussionsrunden werden in ei­nem Tagungsband versammelt, der in Kürze in der Schriftenreihe des ZIR, den „Beiträge(n) zum Raumplanungsrecht“, im Berliner Lexxion Verlag erscheinen wird. Im Jahr 2022 wird das ZIR wiederum ein Symposium zu aktuellen und grundsätzlichen Fragestellungen des Raumpla­nungsrechts veranstalten; außerdem richtet es, gemeinsam mit dem Institut für Umwelt- und Planungsrecht der Universität Münster (IUP), die „Münsteraner Gespräche zum Umwelt- und Planungsrecht“ aus.