Münsteraner Gespräche, Oktober 2016

Einzelhandel im Wandel: Das Planungsrecht vor neuen Herausforderun­gen. Bericht über die Münsteraner Gespräche zum Umwelt- und Planungs­recht am 25. Oktober 2016

Dr. Boas Kümper

Die vom Institut für Umwelt- und Planungsrecht (IUP) der Münsteraner Juristischen Fakul­tät sowie vom fakultätsnahen Zentralinstitut für Raumplanung (ZIR) gemeinsam ausgerichteten Münsteraner Gespräche zum Umwelt- und Planungsrecht wollen im halbjährlichen Rhythmus aktuelle umwelt- und planungsrechtliche Fragestellungen im Rahmen einer Nachmittagsver­an­staltung erörtern und haben in diesem Zuschnitt in den vergangenen Jahren stetes Inter­esse der lokalen und regionalen Fachöffentlichkeit gefunden. Bei der hier zu berichtenden Ge­sprächs­runde vom 25. Oktober 2016 konnte man sich erneut über zahlreiche Besu­cher aus Ver­­waltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit, Rechts- und Wirtschaftsberatung so­wie Wissen­schaft freuen. Mit der Entwicklung des Einzelhandels und dessen planerischer Steue­rung hatte man ein Thema aufgegriffen, das zuletzt womöglich weniger intensiv dis­kutiert wurde als noch vor einigen Jahren, jedoch kontinuierlich insbesondere die kommu­na­le Planungspraxis be­schäftigt und somit zugleich eine feste Größe im anwaltlichen wie fo­ren­si­schen Alltag bildet.

Einblicke in wirtschaftliche Entwicklungen und die kommunale Planungspraxis

Zunächst sprach Dipl.-Geograph Stefan Kruse vom Planungsbüro Junker und Kruse, Dort­mund, über „Neu­e Herausforderungen des Einzelhandels für die Planung“ und bot hiermit einen Überblick über aktuelle Entwicklungstendenzen im Einzelhandel und deren Auswir­kun­gen auf die gemeindliche Planung. Im Lebensmitteleinzelhandel beobachtete er eine wei­tere Vergrößerung der Betriebe, wobei die Lebensmitteldiscounter einmal mehr als „Trend­set­ter“ fungierten, indem sie Märkte mit einer Verkaufsflächengröße von 1.400m2 und mehr kon­zi­pier­ten. Die Vollsortimenter zögen nach bzw. beabsichtigten die Errichtung noch größerer Be­triebe, um „Abstand zu halten“. Kruse betonte, Lebensmitteleinzelhandel in der­ar­tigen Di­men­sionen sei nicht nur schwer in zentrale Lagen zu integrieren, sondern auch kaum mehr als Nahversorgung zu qualifizieren; er lasse sich daher nur mithilfe eines Sondergebiets nach § 11 Abs. 3 BauNVO verwirklichen.

Höchstrichterliche Rechtsprechung zur planerischen Steuerung des Einzelhandels

Die juristische Perspektive auf das Veranstaltungsthema nahm sodann Helmut Petz, Richter am Bundesverwaltungsgericht und Mitglied des für das Bau- und Bodenrecht zuständigen 4. Revisionssenats sowie Lehrbeauftragter an der Universität München, mit seinem Vortrag „Ein­zelhandel in der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts“ ein. Einlei­tend machte er darauf aufmerksam, dass die planerische Steuerung des Einzelhandels in den ver­gangenen zehn Jahren einen großen Anteil der Senatsrechtsprechung ausgemacht habe, in den letzten drei Jahren jedoch die Themenvielfalt dramatisch zurückgegangen und einzig die städ­tebauliche Erforderlichkeit resp. Rechtfertigung (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB) des Einzel­han­delsausschlusses durch Bebauungsplan noch Entscheidungsgegenstand gewesen sei. Das Bundesverwaltungsgericht habe das Erforderlichkeitsgebot des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB zwar als eine „praktisch nur bei groben und einigermaßen offensichtlichen Mißgriffen wirksame Schran­ke der Planungshoheit“ interpretiert, doch scheiterten in den Normenkontroll­verfahren vor den Obergerichten bemerkenswert viele Bebauungspläne gerade an dieser Vor­schrift, zu­mal im Falle ihrer Verletzung eine Planerhaltung in §§ 214 ff. BauGB nicht vorge­sehen sei. Petz erläuterte das bundesverwaltungsgerichtliche Verständnis der städtebaulichen Rechtferti­gung und deren systematisches Verhältnis zur Abwägungskontrolle anhand dreier zentraler Ent­­schei­dungen des 4. Revisionssenats zum Einzelhandelsaus­schluss durch Bebauungsplan.

Diskussion, Fazit und Ausblick

Gegenstand der von Prof. Dr. Sabine Schlacke moderierten ausführlichen Aussprache waren insbesondere der Begriff des zentralen Versorgungsbereichs und die unterschiedliche Bedeu­tung tat­sächlich vorhandener (vgl. § 34 Abs. 3 BauGB) und lediglich geplanter (vgl. § 1 Abs. 6 Nr. 4, § 2 Abs. 2 Satz 2 BauGB) zentraler Versorgungs­be­reiche, die Auswirkungen von Factory Outlet Centers auf die Belegenheits- und die Nachbargemeinden sowie die relevanten Abwägungskriterien beim Einzelhandelsausschluss, bei dem die Bauleitplanung vielfach über die Verteilung von Entwicklungsmöglichkeiten mehrerer miteinander konkurrierender Einzel­handelsbe­triebe entscheidet und somit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sowie dem Gleich­heits­satz (Art. 3 Abs. 1 GG) besondere Aufmerksamkeit widmen muss. Mehrfach wurden auch die Schwierigkeiten einer effektiven Kontrolle der Einhaltung einzelhandelsbezogener be­bauungsplanerischer Fest­setzungen – z.B. der Höchstgrenzen für das Randsortiment – an­ge­spro­chen. Die Besucherzahl und die intensive Diskussion zeigten einmal mehr, dass das For­mat der Münsteraner Gespräche zum Umwelt- und Planungsrecht gut angenommen wird.