Ein neuer europäischer Rechtsrahmen für die Energiewende

Welche Chancen und Herausforderungen birgt die Energieunion?

 

Das im Dezember 2018 in großen Teilen verabschiedete EU-Legislativpaket „Saubere Energie für alle Europäer“ setzt einen neuen Rahmen für die europäische Energie- und Klimapolitik bis 2030. Was bedeutet das für die deutsche und europäische Energie- und Klimaplanung, wie effektiv ist das neue Instrumentarium, und werden dadurch die Klimaschutzziele für 2030 erreicht? Diese und weitere Fragen diskutierten 85 Fachleute aus Wissenschaft und Praxis bei den Münsteraner Gesprächen zum Umwelt- und Planungsrecht am 21. März in der Bezirksregierung Münster. Grundlage bildeten unter anderem die Ergebnisse der Stellungnahme „Governance für die Europäische Energieunion“ die eine Arbeitsgruppe des Akademienprojektes „Energiesysteme der Zukunft“ (ESYS) unter der Co-Leitung von Prof. Dr. Sabine Schlacke, geschäftsführende Direktorin des Instituts für Umwelt- und Planungsrecht an der WWU, erstellt hat.

Ass. iur. Fabian Pause, LL.M. Eur., Leiter des Forschungsgebiets Europäisches und internationales Umweltenergierecht sowie Rechtsvergleichung der Stiftung Umweltenergierecht in Würzburg gab in seinem Einführungsvortrag einen Überblick über das sogenannte „Winterpaket“ und stellte die Neuerungen des Energieeffizienzrechts sowie des Energiebinnenmarktrechts heraus.

Im Anschluss daran informierte Frau Prof. Dr. Charlotte Kreuter-Kirchhof, Direktorin des Düsseldorfer Instituts für Energierecht (DIER) an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, über den europäischen Emissionshandel und die novellierte Erneuerbare-Energien-Richtlinie.

Nach der Mittagspause widmete sich die Veranstaltung der sogenannten EU-Governance-Verordnung, die die energie- und klimapolitische Zielerreichung auf europäischer Ebene durch eine weiche Steuerung sicherstellen soll. „Sie soll helfen, die EU-Klima- und Energiepolitik zusammenzuführen. Damit sie ihr volles Potenzial entfalten und zum Klimaschutz beitragen kann, muss sie aber durch weitere Maßnahmen flankiert werden“, fasste Prof. Dr. Michèle Knodt, Professorin für Politikwissenschaft an der TU Darmstadt, die Kernaussage der Stellungnahme zusammen, die das Akademienprojekt „Energiesysteme der Zukunft“ (ESYS) im Dezember veröffentlicht hat. Die Politikwissenschaftlerin hat gemeinsam mit Prof. Dr. Sabine Schlacke und Prof. Dr. Christoph Böhringer, Ökonom an der Universität Oldenburg, die ESYS-Arbeitsgruppe geleitet. Besonders kritisch sehen sie die fehlenden Sanktionsmöglichkeiten der EU-Kommission. Zwar müssen alle Mitgliedstaaten ihre Ziele, Strategien und Maßnahmen zur Emissionsreduktion regelmäßig darlegen. Sind die Pläne oder deren Umsetzung unzureichend, kann die EU-Kommission allerdings nur Nachbesserungen empfehlen, diese aber nicht rechtsverbindlich einfordern.

Die ESYS-Arbeitsgruppe schlägt daher weitere Steuerungsmaßnahmen vor. „Damit die nationalen Energie- und Klimapläne wirksam sein können, sollten sie in nationales Recht überführt werden. Für Deutschland bietet es sich an, sie zum Kerninstrument des geplanten Bundes-Klimaschutzgesetzes zu machen und nicht noch weitere Pläne und Programme zu schaffen, die auf dieselben Ziele gerichtet sind“, erklärte Prof. Dr. Sabine Schlacke, geschäftsführende Direktorin des Instituts für Umwelt- und Planungsrecht an der WWU Münster. Sie betonte, dass der Klimaschutz zwar durch die klare Zuweisung von Ressortverantwortlichkeiten und die Rechtsverbindlichkeit der Zielsetzungen eine herausragende Bedeutung auf Bundesebene erhalte. Jedoch fehlten sowohl konkrete Klimaschutzmaßnahmen als auch eine Verzahnung mit dem Governance-System der EU, sodass Synergien auf europäischer Ebene ungenutzt blieben. Sie äußerte des Weiteren erhebliche Zweifel daran, dass das vom BMU vorgelegte Klimaschutzgesetz wirklich das Licht der Welt erblicken wird.

Darüber hinaus empfiehlt ESYS die Governance-Verordnung mit der europäischen Strukturfondsförderung zu verknüpfen. Dies könnte sowohl als zusätzlicher Finanzierungsanreiz als auch als Sanktionsinstrument genutzt werden. Würde sich Deutschland darüber hinaus mit klimapolitisch engagierten Ländern in Vorreiterallianzen verbünden, könnten energiepolitisch ambitionierte Vorhaben wie der Ausstieg aus der Kohleverstromung oder eine CO2-Bepreisung besser koordiniert und vorangetrieben werden. Im Anschluss kommentierte Prof. Dr. Martin Schulte, Direktor des Instituts für Geistiges Eigentum, Technikrecht und Medienrecht der Juristischen Fakultät der TU Dresden, die vorgestellten Handlungsoptionen und gab einen Impuls für die sich anschließende Podiumsdiskussion.

In der anknüpfenden Podiumsdiskussion ging es darum, wie die Energie- und Klimaschutzplanung bis 2030 konkret ausgestaltet werden sollte. Darüber tauschten sich Dieter Kunhenn (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie), Dr. Achim Dahlen (Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen), Gerhard Joksch (Bürgermeister der Stadt Münster), Prof. Dr. Stefan Lechtenböhmer (Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie), Prof. Dr. Michèle Knodt und Prof. Dr. Andreas Löschel, Lehrstuhlinhaber für Mikroökonomik, insbesondere Energie- und Ressourcenökonomik an der WWU Münster, unter der Moderation von Dr. Cyril Stephanos, stellvertretender Leiter der ESYS-Geschäftsstelle, aus.

Im Mittelpunkt standen die Bedeutung der Governance-Verordnung für das geplante Bundes-Klimaschutzgesetz und die Umsetzung des nationalen Kohleausstiegs. Erörtert wurde, ob die Governance-Verordnung die gemeinsame europäische Zielerreichung mit ihrer weichen Steuerung hinreichend sicherstellt, wie das Monitoring verbessert werden könnte und inwieweit die europäische Ebene mit der Bundes- und Landesebene verzahnt ist.

Neben den Erfahrungen mit der Landesklimaschutzgesetzgebung wurde die Bedeutung des kommunalen Klimaschutzes herausgestellt. Es stehe fest, dass mit Blick auf den neusten IPCC-Bericht die Erreichung der Pariser Klimaziele eine schnellstmögliche und weitreichende Transformation erfordere. Zuletzt dankte Prof. Dr. Hans D. Jarass, Geschäftsführender Direktor des Zentralinstituts für Raumplanung an der Universität Münster, den Teilnehmern für die spannende Veranstaltung.

Die halbjährlichen Münsteraner Gespräche zum Umwelt- und Planungsrecht bieten ein Diskussionsforum für Wissenschaft und Praxis. Sie werden vom Institut für Umwelt- und Planungsrecht (IUP) und vom Zentralinstitut für Raumplanung an der Universität Münster ausgerichtet.