Münsteraner Gespräche zum Umwelt- und Planungsrecht
Das Klimaschutzgesetz des Bundes – Grundstrukturen und Bedeutung für das Planungsrecht
Die Münsteraner Gespräche zum Umwelt- und Planungsrecht zum „Bundes-Klimaschutzgesetz“ (KSG) fanden als Online-Konferenz mit mehr als 180 Teilnehmenden am 9. Dezember 2020 unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Sabine Schlacke und Prof. Dr. Susan Grotefels statt.
Das KSG legt – zur Umsetzung der Klimaschutzziele des Pariser Übereinkommens vom 12.12.2015 sowie der Klimaschutzziele der Europäischen Union vom 30.5.2018 erstmals auf Bundesebene ein verbindliches Klimaschutzziel für den Gesamtstaat fest: Die Treibhausgasemissionen sollen im Vergleich zum Jahr 1990 bis zum Zieljahr 2030 schrittweise um (mindestens) 55% reduziert werden. Zur Erreichung dieser Zielsetzung ist die Festlegung von Jahresemissionsbudgets für die einzelnen Sektoren der Energiewirtschaft, der Industrie, des Verkehrs, der Gebäude etc. vorgesehen. Die Bundesregierung soll ein Klimaschutzprogramm aufstellen, in dem sektorspezifische Einzelmaßnahmen festzulegen sind, welche wiederum auf eine Umsetzung durch verschiedene Spezialgesetze angelegt sind. In der Veranstaltung wurden die Grundstrukturen und rechtlichen Auswirkungen des KSG im Allgemeinen sowie seine Bedeutung für das Planungsrecht im Besonderen erörtert.
Zu Beginn skizzierte Detlef Raphael, Beigeordneter beim Deutschen Städtetag/Städtetag NRW, Berlin, die vielfältigen Aktivitäten der Gemeinden auf den Feldern des Klimaschutzes und der Klimawandelanpassung sowie die hiermit verbundenen Herausforderungen, u.a. in den Bereichen des Städtebaus, der Gebäudeunterhaltung und des Verkehrs. Er hob die Funktion der Gemeinden zur „Kanalisierung“ der Zivilgesellschaft, die Verknüpfung von Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsstrategien sowie die finanzielle Abhängigkeit vieler kommunaler Klimaschutzmaßnahmen von Förderprogrammen der EU, des Bundes und der Länder hervor. Die Städte und Gemeinden erwarteten die Unterstützung von Bund und Ländern, um die erforderlichen Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Klimafolgenanpassung vorantreiben zu können. Angesichts der ambitionierten Klimaschutzziele der EU sollte der Klimaschutzplan des Landes NRW weiterentwickelt werden.
Für die überörtliche Ebene zeigte Prof. Dr. Michael Sauthoff, Präsident des Oberverwaltungsgerichts sowie des Finanzgerichts Mecklenburg-Vorpommern a.D., Möglichkeiten des Klimaschutzes durch Raumordnung auf. Mögliche Ansätze für den Klimaschutz seien insbesondere eine energieeffiziente und verkehrsvermeidende Siedlungs- und Verkehrsentwicklung sowie die räumliche Vorsorge für eine klimaverträgliche Energieversorgung und die verstärkte Nutzung regenerativer Energieträger. Raumordnungsplanerische Festlegungen kommen diesbezüglich in Form von Grundsätzen der Raumordnung in Betracht, also als Vorgaben für nachfolgende Abwägungs- und Ermessensentscheidungen. Als klimaschützende Zielfestlegungen zog Sauthoff u.a. raumordnerische Schwellenwerte für die Siedlungsflächenausweisung und eine Konzentration der Entwicklungsmöglichkeiten auf die landesplanerisch benannten Zentralen Orte in Betracht, während kleinere Gemeinden auf eine sog. Eigenentwicklung beschränkt werden könnten.
Prof. Dr. Martin Wickel, LL.M., HafenCity Universität Hamburg analysierte dann das KSG im Einzelnen. Die Gesetzesbegründung bezeichnet das KSG als „Rahmengesetz“, in welchem Prinzipien verankert, durch das aber „nicht unmittelbar CO2 eingespart“ werde (BT-Drs. 19/14337, S. 17). Das Gesetz sehe (fast) keine konkreten Maßnahmen vor, sondern verfolge einen koordinierenden Ansatz durch die Formulierung von Reduktionszielen sowie die Etablierung von Planungsinstrumenten und Berichtspflichten. Von der bisherigen Klimaschutzpolitik und den auf Landesebene bislang verfolgten gesetzgeberischen Ansätzen hebe sich das KSG jedoch durch die verbindliche Fassung der Klimaschutzziele und die Formalisierung der Aufgabenwahrnehmung ab. Hinsichtlich seiner rechtlichen Auswirkungen wurde die horizontale Wirkungsrichtung auf Bundesebene von der vertikalen im Verhältnis von Bund, Ländern und Gemeinden unterschieden. Im Verhältnis zur Landesgesetzgebung gäbe es im KSG eine Unberührtheitsklausel, die ggf. zu Kollisionen zwischen den Reduktionszielen des Bundes und denen in den Landesklimaschutzgesetzen führen könnte.
Die Bedeutung des KSG für das Planungsrecht, insbesondere die durch das Gesetz etablierten Planungsinstrumente, beleuchtete schließlich der Vortrag von Prof. Dr. Sabine Schlacke (vgl. auch Beitrag in EurUP 2020, 338 ff.) Das KSG sehe mit dem „Klimaschutzplan“ und „Klimaschutzprogramm“ zwei neue Instrumente vor. Hierbei handele es sich nicht durchgängig um Instrumente der Planung im verwaltungsrechtlichen Sinne. Das im KSG vorgesehene Klimaschutzprogramm entfalte keine strikte Bindungswirkung gegenüber der planenden Verwaltung. Die Klimaschutzziele des Bundes seien aber in der planerischen Abwägung zu berücksichtigen. Insgesamt leite das KSG als erste sektorenübergreifende Rahmenregelung für den bundesweiten Klimaschutz einen Paradigmenwechsel auch im Planungsrecht ein, indem es den Klimaschutz zur Querschnittsaufgabe jeglicher Verwaltung erkläre. Unionsrechtliche Bedenken erhob Schlacke gegen den im KSG normierten Rechtsschutzausschluss.
Auch im virtuellen Raum wurden die Möglichkeiten zur Diskussion intensiv genutzt. Themen der von Prof. Dr. Sabine Schlacke und Prof. Dr. Susan Grotefels moderierten Aussprachen waren u.a. die Novellierung des Landesklimaschutzgesetzes in Nordrhein-Westfalen, die Möglichkeiten eines Bundes-Raumordnungsplans für den Klimaschutz, die Vermeidung etwaiger Zielkonflikte zwischen Maßnahmen des Klimaschutzes und der Klimawandelanpassung sowie das Gebot der Berücksichtigung.
Vortrag von Prof. Dr. Sabine Schlacke
Vortrag von Prof. Dr. Michael Sauthoff
Vortrag von Prof. Dr. Martin Wickel, LL.M.