„Wir gründen ein InsurTech!”
Ein interdisziplinäres Planspiel am Puls der Zeit
Montag, 16. Mai 2022, 9:00 - 19:00 Uhr (JurGrad)
Von „Weißt du, wovon die reden?“ bis hin zu einem stimmigen, interdisziplinären Konzept für ein innovatives Technologieunternehmen in der Versicherungsbranche
Am 16. Mai 2022 haben insgesamt 18 Studierende aus den Studiengängen Rechtwissenschaften, Betriebswirtschaftslehre, Wirtschaft und Recht, Versicherungswesen sowie Wirtschaftsinformatik und Information Systems im Rahmen eines interdisziplinären Workshops einen Tag lang in Kleingruppen eine Idee für ein innovatives Technologie-Unternehmen in der Versicherungsbranche, ein sogenanntes InsurTech, entwickelt. Die Gründungsideen präsentierten sie einer ebenfalls interdisziplinär und aus Wissenschaft und Praxis besetzten Jury. Unterstützt wurden die Studierenden hierbei von insgesamt 10 Expert*innen aus Wissenschaft und Praxis. Das Spektrum reichte hier vom Universitätsprofessor über die Rechtsanwältin, die Managerin, den Head of Riskmanagement bis hin zum Data Scientist und Head of Industrial Solutions. Organisiert wurde der Workshop von der Forschungsstelle für Versicherungswesen Münster. Gefördert wurde der Workshop von der Dr. Paul-Otto Faßbender Stiftung.
Nach einer kurzen Einführung in die Thematik begann die Ideenfindung in Kleingruppen aus 4 bis 5 Studierenden, wobei in jeder Kleingruppe nach Möglichkeit jede Disziplin vertreten war. Bereits in dieser Phase war viel Gründergeist zu spüren und die Teilnehmer*innen waren kaum dazu zu bewegen, die eingeplante Frühstückspause einzulegen. Insbesondere die Einigung auf eine Idee pro Gruppe war in Anbetracht der Vielzahl von Ideen und Ansatzpunkten für Digitalisierungsthemen in der Versicherungsbranche eine besondere Herausforderung.
Nachdem diese Hürde genommen war, wurden die Kleingruppen kurzzeitig aufgelöst und die Studierenden fanden sich mit ihren Fachkolleg*innen und den jeweiligen Fachexpert*innen zusammen. Sie stellten in diesem Kreis ihre Ideen vor. Danach wurden die einzelnen Projekte mit den Expert*innen, aber auch mit den anderen Studierenden diskutiert und kritisch hinterfragt. Kann das Konzept so funktionieren? Muss man hier nicht auch an den Datenschutz denken? Woher bekommen wir die Daten? Wer soll damit angesprochen werden? Soll es ein Versicherer oder ein Vermittler werden?
Ausgestattet mit diesem neuen fachlichen Input kehrten die Studierenden dann in ihre ursprünglichen Kleingruppen zurück und standen zuerst einmal vor der Herausforderung, den fachfremden Gruppenmitgliedern die aufgetauchten Probleme und Fragestellungen zu erläutern. Verschärft wurde die Situation dadurch, dass die Jurist*innen und Wirtschaftsinformatiker als erste in den Fachgruppen fertig waren und sich schon wieder austauschen und auf Anpassungen einigen konnten, während die Betriebswirt*innen erst ein wenig später aus ihrer Fachgruppe zurückgekehrt sind und dann den gerade gefunden Plan noch einmal vollständig durcheinander gewirbelt haben.
In den letzten zwei Stunden der Gruppenarbeitsphase wurden dann die Ideen weiter ausgearbeitet, es wurde an den entwickelten Konzepten gefeilt und die Präsentation vor der Jury vorbereitet. Dabei wurden nicht nur Namen für die neuen Unternehmen gesucht, Logos entworfen und Flipcharts gemalt, sondern auch Hintergrundrecherche betrieben, Möglichkeiten staatlicher Förderung ausgelotet, an Formulierungen gefeilt und die Vorträge geprobt, die Zeit gestoppt und gehofft, dass man sich bei dem Vortrag vor der Jury im vorgegeben Zeitrahmen halten könne.
Präsentiert wurden am Ende vier völlig verschiedene, an unterschiedliche Herausforderungen und Möglichkeiten der digitalen (Versicherungs-)Welt anknüpfende Ideen.
Die Fachjury, namentlich (v.l.n.r.) Frau Prof. Dr. Petra Pohlmann, Herr Prof. Dr. Herbert Kuchen, Frau Dr. Rebecca Koch, Herr Dieter Kipp und Herr Dr. Christian Brandt.
So wurde ein Tool bzw. eine Website vorgestellt, mit der das Problem der für den Laien unverständlichen Versicherungsbedingungen gelöst werden soll, indem Klauseln verschiedener Versicherer vereinfacht dargestellt werden und vom Kunden nach bestimmten Fragestellungen durchsucht werden können. Zudem soll dem Kunden im Streitfall hierüber einfach anwaltlicher Rat vermittelt werden.
Eine andere Idee knüpft ebenfalls an die Vermittlung von Spezialisten an. Hier geht es jedoch um Handwerker, deren Beauftragung und die damit einhergehende Terminkoordination, welche dem Versicherungsnehmer im Schadenfall abgenommen werden soll, sofern der Versicherer die Regulierung des Schadens zugesagt hat. Ebenfalls zur Entlastung des Versicherungsnehmers, aber auch des Versicherers, soll sich der Versicherungsnehmer zudem nicht mehr um die Einreichung der jeweiligen Rechnungen kümmern müssen. Stattdessen rechnet das InsurTech mit den jeweiligen Handwerkern ab und bekommt seinerseits vom Versicherer den Gesamtbetrag erstattet.
Den Sonderpreis für eine sehr gute Präsentation und die größte Praxisnähe ging an die Gruppe, welche eine Idee zur zentralen Sammlung von persönlichen Daten, etwa von Gesundheitsdaten aus Fitness-Apps, bei einem neutralen Unternehmen vorgestellt hat. Auf Basis der gesammelten Daten soll die jeweilige Person in verschiedene Risikokategorien einsortiert werden und auf dieser Basis soll das Krankenversicherungsrisiko Versicherern angeboten werden. Der Versicherungsnehmer ist dann nicht gezwungen, einzelne Daten an den Versicherer zu geben, diese bleiben bei dem InsurTech. Weitergegeben werden ausschließlich die Ergebnisse der Auswertung der Daten. Hierdurch soll auch ein etwaiger Versichererwechsel vereinfacht werden und gleichzeitig Transparenz zu allen Seiten gewahrt bleiben.
Das Team des Projekts "Idoneus", das mit dem Sonderpreis für das Projekt mit der größten Praxisnähe ausgezeichnet wurde.
Am meisten überzeugt hat die Jury die Idee einer umfassenden und nicht nur einzelne Risiken, wie etwa Sturmschäden, abdeckenden Waldversicherung. Mit Hilfe von Satellitenbildern, Low-Power-Sensoren und Drohnenflügen sollen die jeweiligen Waldflächen beobachtet werden, die Daten mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz und Machine Learning ausgewertet werden und so das Risiko für die jeweilige Waldfläche ermittelt werden. In Form einer parametrischen Versicherung sollen Ertragsausfälle und Vermögensschäden in Folge der Verwirklichung biotischer und abiotischer Risiken abgesichert werden. Die ausgezahlte Leistung soll zudem zweckgebunden sein und dafür eingesetzt werden müssen, den Wald insgesamt widerstandsfähiger zu machen, etwa durch das vermehrte Anpflanzen von Bäumen, die mit zunehmender Trockenheit besser zurechtkommen.
Das Siegerteam, namentlich Herr Ben Beuker, Frau Lisa Droste, Herr Felix Schmidt-Rhaesa, Frau Luisa Beining und Herr Leonard Arp (v.l.n.r-) mit Frau Prof. Dr. Petra Pohlmann (ganz links) und Frau Johanna Scheiper, LL.M. (ganz rechts).
Insgesamt ging so ein ereignis- und ideenreicher Tag zu Ende, wobei die Begeisterung der Studierenden für die Thematik, aber auch für das Veranstaltungsformat die gesamte Zeit über ungebrochen war. Nicht nur der interdisziplinäre Austausch, der Blick über den Tellerrand und die Zusammenarbeit mit anderen Studierenden in Präsenz nach einer langen Zeit der Online- Vorlesungen begeisterte. Genauso wurde die praktische Auseinandersetzung mit den Thema Unternehmensgründung – insbesondere im Jura-Studium ein kaum betretenes Gebiet – begrüßt.
Die Forschungsstelle für Versicherungswesen bedankt sich ganz herzlich bei den engagierten Teilnehmer*innen, Expert*innen und natürlich der Jury. Besonderer Dank gilt zudem der Dr. Paul-Otto Faßbender Stiftung, die diesen Workshop überhaupt erst ermöglicht hat.
Johanna Scheiper, LL.M.