
Ein Moot Court ist eine simulierte Gerichtsverhandlung, in deren Rahmen Studierende die Rollen von Klägern, Beklagten, Beigeladene Nichtregierungsorganisationen oder Behördenvertretern übernehmen und gemeinsam mit Fachjuristen einen Fall verhandeln. Der CMCEL widmet sich dabei unionsrechtlich geprägten umweltrechtlichen Fragestellungen. Im Unterschied zu klassischen Wettbewerbsformaten ist dieser Moot Court nicht kompetitiv, sondern rechtsvergleichend angelegt: Ziel ist der inhaltliche Austausch zwischen den unterschiedlichen Rechtsordnungen Europas. Das Münsteraner Team wurde vom Zentralinstitut für Raumplanung an der Universität Münster betreut.
Der diesjährige Fall orientierte sich an einem realen Fall am EFTA-Gerichtshof. Gegenständlich im deutschen Fall war eine geplante Onshore-Förderung von Erdgas auf der Insel Rügen durch die fiktive „MV Energiesicherheit AG“. Die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) des Projekts berücksichtigte nicht die erheblichen Klimagasemissionen, die durch die spätere Verbrennung des geförderten Gases entstehen würden – sogenannte Scope-3-Emissionen. Die NGO „Klimaschutz sofort!“ klagte gegen den Planfeststellungsbeschluss und argumentierte, dass diese nachgelagerten Emissionen in der UVP hätten bewertet werden müssen. Im Verfahren wurde darüber gestritten, ob diese Emissionen dem Vorhabenträger zurechenbar sind und welche Konsequenzen aus der fehlerhaften UVP folgen.
Diesen Fall verhandelte ein fiktiver Senat des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern in Greifswald , besetzt mit Herrn Prof. Dr. Michael Sauthoff (Vorsitz), Präsident des Oberverwaltungs- und des Finanzgerichts Greifswald a.D, Frau Prof. Dr. Sabine Schlacke, Professorin für Öffentliches Recht mit einem Schwerpunkt im Verwaltungs- und Umweltrecht an der Universität Greifswald. Geschäftsführende Direktorin des Instituts für Energie-, Umwelt- und Seerecht (IfEUS) und Frau Nathalie Schumacher, Richterin am Verwaltungsgericht Münster. Der Senat entschied, dass die UVP unvollständig war und der Bau des Gasförderprojekts vorübergehend zu stoppen sei. Die Bergbaubehörde könne den Verfahrensfehler jedoch im ergänzenden Verfahren heilen. Zugunsten der Planerhaltung wurde die Entscheidung (noch) nicht aufgehoben.
Im zweiten Schritt verglichen die Studierenden aller europäischen Teams ihre Ergebnisse miteinander in einem Online-Meeting. Im europäischen Vergleich zeigten sich bemerkenswerte Unterschiede: Die meisten Teams wollen die zentrale Frage dem EuGH zur Vorabentscheidung vorlegen. Für den Fall, dass die Scope-3-Emissionen in einer UVP zu berücksichtigen sind, lässt sich der Fehler in den Niederlanden in einer „administrative loop“ heilen, während in Irland und Frankreich die Genehmigung aufzuheben ist.
Mit diesen Ergebnissen reiste ein Großteil der deutschen Gruppe nach Brüssel. Dort präsentierten Philipp Wessolowski und Lisa Franke, stud. jur. Uni Münster, neben den anderen Teams die Ergebnisse des deutschen Moot Courts in der Generaldirektion Umwelt den Vertreterinnen und Vertretern des Referats für die Einhaltung der Umweltvorschriften der Europäischen Kommission und diskutierten mit ihnen die zentralen Fragen des Falls. Die Kommission legte besonderes Augenmerk auf die prozedurale Autonomie der Mitgliedsstaaten. Unterschiede zeigten sich in der Zugänglichkeit zum Vorabentscheidungsverfahren und darin, wie sich eine fehlerhafte UVP auswirkt. Die Kommission sprach sich für mehr Vorabentscheidungsverfahren aus, um eine gleichwertige Rechtsdurchsetzung zu fördern. Zur Sprache kam zudem die Frage, auf welcher Ebene die Umweltauswirkungen am besten berücksichtigt werden – auf Plan- oder Projektebene oder erst bei nachgelagerten Projekten.
Im Anschluss besuchte die Gruppe das Europäische Parlament. Christine Schneider (MdEP, EVP) gab einen spannenden Einblick in die parlamentarische Arbeit auf europäischer Ebene und erläuterte insbesondere, wie sich Abgeordnete unabhängig über umweltpolitische Fragestellungen informieren.
Ein gemeinsames Abendessen rundete den Aufenthalt in Brüssel ab und bot Gelegenheit zum informellen Austausch mit den anderen Teams. Die Studierenden zeigten sich durchweg begeistert – insbesondere vom Engagement der Vertreterinnen und Vertreter der Europäischen Kommission. Der Moot Court bot nicht nur die Möglichkeit, rhetorische und argumentative Fähigkeiten zu schärfen, sondern auch das Verständnis für die Herausforderungen europäischer Umweltrechtsetzung zu vertiefen – und nicht zuletzt neue Kontakte über Ländergrenzen hinweg zu knüpfen.