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1. Neben Rechtswissenschaften haben Sie auch noch Psychologie studiert. Hatten Sie bei dieser Kombination bereits die Kriminologie als Tätigkeitsfeld für sich im Blick?
Zunächst nicht, was sich aber bald änderte. Mein erstes Fach war Psychologie, und die Kriminologie spielt im Psychologiestudium in der Regel keine Rolle. Im Grunde bin ich über die Rechtspsychologie zu den Rechtwissenschaften und dann schließlich zur Kriminologie gelangt. Am Institut für Forensische Psychiatrie der FU Berlin lehrte Prof. Max Steller Forensische Psychologie und in seinen Vorlesungen saßen immer viele Jurist:innen. Da ich Vieles, was er an die Jurist:innen adressierte, nicht verstand, hat mich das neugierig gemacht, und ich wollte es verstehen. Also habe ich mich in die Anfänger-Vorlesungen BGB und Strafrecht und die entsprechenden AGs gesetzt. Schnell war mir klar, dass ich auch Jura studieren möchte, was zunächst ein aufwendiges Verfahren auf Bewilligung eines Doppelstudiums notwendig machte. Letztlich klappte es und ich durfte offiziell u.a. den Kriminologievorlesungen von Prof. Ulrich Eisenberg und den Rechtssoziologievorlesungen von Prof. Hubert Rottleuthner, der die Rechtswissenschaft als Sozialwissenschaft reformieren wollte, folgen. Von Anfang an haben mich im Jurastudium ausschließlich das Strafrecht, die Rechtssoziologie (übrigens leider kaum noch zu finden an juristischen Fakultäten) und die Kriminologie interessiert; eine Tätigkeit in den Bereichen Zivilrecht oder öffentliches Recht hatte ich tatsächlich nie in Erwägung gezogen. Die Kriminologie war für mich die perfekte Schnittstelle zwischen meinen beiden Fächern.
2. Erzählen Sie uns von Ihrer Studienzeit. Was hat Sie aus heutiger Sicht besonders geprägt?
Wenn ich an meine Studienzeit denke, habe ich vor allem die Freiheit und Selbstbestimmung vor Augen, die diese Zeit bestimmte. In den 1990er Jahren war das Studium wenig verschult und man konnte sich seine Zeit vollständig frei einteilen. Erst zum Vordiplom und zum ersten Staatsexamen wurde es stressig. Die Einführungswoche in der Psychologie hat mich damals schlagartig mit so vielen Menschen aus ganz Deutschland zusammengebracht - gefühlt war es schwer an der Universität „echte“ Berliner:innen zu treffen. Freundschaften, die in dieser Woche entstanden sind, bestehen bis heute. Die Rost- und Silberlaube an der FU Berlin ist ein faszinierendes Gebäude, in dem wir uns zu Beginn des Studiums regelmäßig verliefen; gleichzeitig wehte noch der Wind der 1968er Bewegung, die an der FU Berlin um Rudi Dutschke groß geworden war. Der wissenschaftstheoretische Paradigmenstreit, der nicht nur eine wissenschaftliche, sondern auch eine politische Dimension hatte, war an der FU Berlin noch deutlich zu spüren. So gab es das IfP (Institut für Psychologie), die „Quantis“, und das PI (Psychologisches Institut), die „Qualis“, das Institut um Prof. Klaus Holzkamp, der - zwar damals schon emeritiert - als Begründer der Kritischen Psychologie die experimentellen Methoden in der Psychologie in Frage gestellt hatte. Ich wusste bei der Einschreibung nichts von diesem Streit und habe mich nur deswegen am IfP eingeschrieben, weil die Schlange die kürzere war. Heute ist der Streit, was die Ausrichtung des Faches betrifft, zugunsten der quantitativen Forschung entschieden; mich hat diese Phase allerdings noch massiv geprägt.
3. Sie waren lange Zeit an der Hochschule der Akademie der Polizei Hamburg. Mit welchen besonderen Zielen ist der Wechsel nach Münster für Ihre Projekte in Forschung und Lehre verbunden? Was war der ausschlaggebende Grund nach Münster zu kommen?
Es gab für mich drei wesentliche Gründe nach Münster zu wechseln. Dass in Münster entschieden wurde, einen Lehrstuhl für Kriminologie aufrecht zu erhalten und die Ausschreibung nicht nur an Jurist:innen zu richten, sondern allen Kriminolog:innen, auch bspw. psychologischen und soziologischen Kriminolog:innen, die Möglichkeit zu geben, sich auf eine solche Professur zu bewerben, ist einmalig in Deutschland. Das ist nicht nur eine ungeheure Wertschätzung für das Fach, sondern es ist auch für das Fach selbst von massiver Wichtigkeit. Früher gab es an vielen juristischen Fakultäten kriminologische Lehrstühle. In den letzten Jahren werden diese jedoch zurückgedrängt und in Lehrstühle der klassischen Fächer des Strafrechts in Kombination mit Kriminologie, als Annex, umgewidmet. Damit hatte die Kriminologie einen enormen Bedeutungsverlust an den Universitäten in Deutschland zu verkraften. Ein ähnliches Schicksal hat im Übrigen die Rechtspsychologie ereilt. Insofern ist es etwas Besonderes, einen kriminologischen Lehrstuhl übernehmen bzw. inne haben zu dürfen. Ein zweiter Grund, in unmittelbarer Verwandtschaft mit dem ersten, ist die Forschung. Gleichwohl immer mehr Forschung an den Polizeihochschulen möglich gemacht wird, hat die Polizei nach wie vor keine große Wissenschaftsnähe. Ich freue mich darauf, die Projekte, die ich mit meinen Kolleg:innen in Hamburg und außerhalb gemeinsam gestartet habe, weiterzuführen, bspw. zu demokratiebezogenen Einstellungen und Werthaltungen innerhalb der Polizei, zu Vorurteilen und Stereotypen oder zur Verhinderung von Zuschauerfehlverhalten im Fußball, sowie neue Projekte in die Wege zu leiten. Zudem hoffe ich darauf, zusammen mit Prof. Klaus Boers in zukünftigen Projekten zusammen arbeiten zu können. Der dritte Grund hat mit den Studierenden zu tun, auf die ich mich sehr freue. Studierende der Rechtswissenschaft sind mir allein deswegen schon näher, weil ich selbst einmal dieses Fach studiert habe. An Polizeihochschulen wird das Studium von Vielen als notwendige Übergangsphase betrachtet, um endlich in die Praxis zu gelangen. Hier beobachte ich ein starkes Interesse und eine hohe intrinsische Motivation der Studierenden, was mir viel Freude bereitet.
4. Was liegt Ihnen im Bereich der Lehre besonders am Herzen?
In erster Linie möchte ich die Studierenden für die Kriminalwissenschaften und das in diesem Bereich spannendste Fach, die Kriminologie, begeistern. Die Kriminologie bietet aufgrund ihrer Breite, Internationalität und Interdisziplinarität die einmalige Gelegenheit, im Rahmen des Jurastudiums über den rechtsdogmatischen Tellerrand zu blicken, sich mit anderen Methoden und Zugängen zum Erkenntnisgewinn auseinanderzusetzen. Ich lege Wert darauf, die Studierenden an den Veranstaltungen aktiv teilnehmen zu lassen und ihnen Gelegenheiten zu eröffnen, sich auch kritisch zu äußern. Besonders am Herzen liegt mir, dass bestenfalls jede Vorlesung einen Anstoß zum Weiterdenken und Reflektieren der Inhalte gibt, so dass diese im Privaten nach der Uni, abends zusammen mit Freunden weiterdiskutiert werden können.
5. Was sollten die Studierenden über Sie wissen?/ Was machen Sie gerne in Ihrer Freizeit?
Dass die Wissenschaft auch manchmal eine Zerreißprobe sein kann und es viele Phasen gibt, in denen man leider nicht so viel Zeit für Freizeit und Familie hat, wie man sich das wünschen würde. Insofern genieße ich jede freie Minute mit meinen Kindern und meinen Freund:innen. Der Wechsel an eine neue Hochschule ist mit einem großen organisatorischen Aufwand verbunden. Ich freue mich auf die Zeit, in der neben dem Beruf wieder mehr Zeit für Sport, Musik, Kultur und vieles mehr sein wird.