Im ersten Kriminalwissenschaftlichen Kolloquium des Wintersemesters 2016/17, das am 2. November 2016 wie gewohnt im Hörsaal H 2 stattfand, setzte sich Prof. Dr. Marcel Krumm, Inhaber der Professur für Öffentliches Recht und Strafrecht an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und Richter am Finanzgericht Münster im zweiten Hauptamt, mit dem aus seiner Sicht problematischen Zustand des gegenwärtigen Steuerstrafrechts und den Möglichkeiten einer grundlegenden Neuorientierung auseinander. Krumm plädierte für eine weitgehende Entkriminalisierung von Steuerverkürzungen und die Einführung eines Steuerzuschlagmodells, in dem Verkürzungen verschuldensunabhängig durch einen Steuerzuschlag sanktioniert würden und die Zuständigkeit allein in den Händen der Finanzverwaltung bzw. der Finanzgerichtsbarkeit liege. Ein solches Modell sei, wie die Erfahrungen in anderen Ländern belegten, nicht nur effektiver, sondern auch gerechter, da es eine gleichmäßigere Sanktionierung verbürge. Zudem trage es dem Umstand Rechnung, dass die abschreckende Wirkung der Strafe meist überschätzt werde.
In der sich anschließenden, von Prof. Dr. Mark Deiters moderierten Diskussion, wurde weithin begrüßt, dass das Modell die rechtliche Bewertung der relevanten Steuerfragen im Interesse einer einheitlichen Rechtsanwendung allein der Steuerverwaltung und den Finanzgerichten überantworte. Zugleich wurde problematisiert, ob die Steuerzuschläge nicht verfassungsrechtlich als Strafen bewertet werden müssten, sodass das Modell auf eine Aushöhlung der für das Strafrecht geltenden Garantien hinauslaufe. Nach Ansicht Krumms müsse diesen Bedenken unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen bei der konkreten Ausgestaltung der Zuschläge Rechnung getragen werden. Eine entsprechende Ausgestaltung sei aber durchaus möglich.